"No hay Diesel" oder eine Anreise mit Hindernissen
Remoteness Next Level - Inlandsflug und 6 Stunden mit dem Schnellbot
5 Tage im Ur-Regenwald, fernab von WiFi und warmen Wasser
Umgeben vom satten Grün des Amazonas und einer atemberaubenden Tierwelt
Wir sind inzwischen knapp 2 Wochen in Bolivien, momentan fokussieren wir uns auf die absoluten Highlights. Grund dafür ist die immer akuter werdende Diesel-Situation im Land. Mehr dazu im letzten Blog.
Wir kommen gerade so nach Cochabamba, nachdem uns ein LKW-Fahrer 20 Liter aus seinem Tank verkauft hat. Von dort aus werden wir nach Rurrenabaque fliegen, dem Tor zum Madidi Nationalpark. Am Vorabend werden allerdings Straßenblockaden angekündigt. Auch das ist in Bolivien keine Seltenheit und war aufgrund der angespannten Lage nur eine Frage der Zeit. Wir müssen also schon in der Nacht zum Flughafen, der nur wenige Kilometer entfernt ist, aufbrechen, um nichts zu riskieren. Leider geht unser Flug erst mittags und so sitzen wir völlig übernächtigt 6 Stunden lang am Flughafen. Diego schläft natürlich einfach weiter und verlangt später nach Entertainment, wie immer. Gerade auf der Startbahn stellt der Pilot Probleme mit den Rotoren fest. Wir müssen allesamt die Maschine wechseln. Irgendwann abends kommen wir im Hotel an. Zu guter Letzt ist in der Bar nebenan auch noch Party angesagt... Eine weitere schlaflose Nacht.
Am kommenden Tag geht's für uns schon los in Richtung Dschungel, zur Chalalan Ecolodge. Das Boot ist um 8:30 Uhr abfahrbereit. Unser Guide Ivan ist schon an Bord. Wir fahren flussaufwärts, zunächst auf dem Beni, dann auf dem Tuichi. Die Fahrt ist ein Abenteuer für sich. Für uns eine völlig neue Welt, vor ein paar Tagen noch in der trockenen Salzwüste von Uyuni, jetzt im tiefgrünen Regenwald. José, der Co- Bootsfahrer hat allerhand zu tun, um uns während der Trockenzeit durch die seichten Stellen zu navigieren. Sein Holzstab mit Markierungen aus Klebeband dient als Echolot. Einige Male greift er ein und stößt uns geschickt durch Engpässe. Kein einfacher Job. Am frühen Nachmittag legen wir an. Nun stehen uns noch 25 Minuten Fußmarsch bevor. Mit dem Gepäck wird geholfen, auch wenn wir das nicht brauchen. Der Standard Tourist, der mit Rollkoffer anreist, nimmt die Hilfe gerne an. Wir werden mit frisch gepresstem Grapefruitsaft begrüßt. Die Früchte wachsen direkt "vor der Haustüre".
Am Spätnachmittag machen wir noch eine kleine Kanutour auf dem Chalalan See. Eine wunderschöne Kulisse. Wir sehen ein Riesenotter Pärchen, das sich erst kürzlich hier angesiedelt hat. Und dann turnen noch ein paar Totenkopfaffen vor uns auf dem Baum. Ganz zu schweigen von den unzähligen unterschiedlichen Vögeln. Ein gelungener Auftakt. Der Madidi Nationalpark ist übrigens der artenreichste der Welt. Laut dem WCS leben ganze 11 Prozent der weltweiten Vogelarten im Park. Zu Madidis vielfältiger Fauna und Flora gehören auch mehr als 200 Säugetier-, fast 300 Fisch- und 12.000 Pflanzenarten.
Die kommenden Tage sollen wir noch mehr davon vor die Linse bekommen. Meist sind wir vormittags 3-4 Stunden zu Fuß unterwegs und nachmittags nochmal etwa 2 Stunden. Um die Lodge herum sind zahlreiche Trails unterschiedlicher Länge angelegt. Ivan weiß ganz genau, zu welcher Tageszeit welcher Sinn macht. Er hat nicht nur ein sehr gutes Auge, sondern auch sensationelle Ohren. So hört er die verschiedenen Affen- und Vogelarten schon von Weitem. Teilweise imitiert er deren Laute, um sie anzulocken. Diego macht das Ganze recht gut mit. Oft schläft er in seiner Babytrage. Wir haben auch eine Kraxe dabei, in der er mehr sehen kann. Er ist sehr aufmerksam und mucksmäuschenstill, wenn wir lauschen und die Bäume nach Tieren absuchen. Außer er hat Hunger… dann machen wir eine kleine Pause. Ivan hat viel Verständnis für seine Bedürfnisse, aber auch Michas Wunsch, möglichst viel zu fotografieren. Leider akzeptiert Diego momentan nur, von mir oder Micha getragen zu werden. Und so trage ich Diego die ganze Zeit; nicht zu unterschätzen bei dem tropischen Klima; immerhin wiegt er inzwischen gut 10 Kilo. Micha hingegen trainiert seine Arm- und Schultermuskulatur mit seinem schweren Teleobjektiv. Am zweiten Tag muss ich etwas früher mit Diego zur Logde zurücklaufen, da mein Kreislauf nicht mitmacht.
Mittags haben wir nach dem Essen immer etwas Zeit für Siesta und ich entspanne mit Diego in der Hängematte oder schwimme eine Runde im See. Der ist für Diego allerdings zu kalt. Außerdem sind Kaimane und Piranhas drin, also keine geeigneten Baby-Badewanne :-)
Im Dschungel sollen wir möglichst keine Äste und Blätter anfassen. Immer könnte etwas Giftiges dabei sein oder von Insekten, Ameisen oder anderen Kleintieren befallen sein. Für Diego gilt das natürlich auch. Micha bringt dennoch 5 Zecken mit nach Hause in die Zivilisation, wie wir später bemerken. Hier übertragen sie allerdings keine Krankheiten; auch die Moskitos stechen „nur“; wir sind angeblich außerhalb von Gelb- und Denguefieber-Gebieten.
In den 5 Tagen im Regenwald sehen wir 4 unterschiedliche Arten von Affen, allesamt tagaktiv. Sogar die sehr scheuen schwarzen Klammeraffen lassen sich blicken und mit viel Geduld auch ablichten. Immer wieder sehen wir Grünflügelaras, die auf den Palmen sitzen. Meist entdecken wir sie, wenn sie gerade Früchte knacken, die dann runterfallen.
Zwei Schlangen kreuzen auch unseren Weg, unter anderem auch eine Korallenotter. Ein wahrlich tödliches Exemplar. Und zu guter Letzt bekommen wir sogar noch einen Tukan vor die Linse. Micha ist einige Male mit Ivan gezielt zum Sonnenaufgang losgezogen, da diese um die Zeit wohl am ehesten zu sehen sind. Vergeblich. Und wie es so sein soll, sitzt unser Tukan auf einmal mitten am Vormittag wie ein Fotomodell auf dem lichten Baum vor uns.
Alles in allem fühlen wir uns total wohl. Das Klima ist nachts sehr angenehm zum schlafen und es hat überraschenderweise kaum Moskitos. Das Essen ist super lecker. Gekocht wird mit regionalen Zutaten, oft gibt es frischen Fisch aus dem Fluss. Und Diego ist für alle "der König", bekommt Kartoffelpüree, Bananen etc. Er ist mit seinen knapp 10 Monaten der jüngste Gast, der jemals auf der Chalalan Lodge war. Diego wird übrigens auch jeden Tag geräuchert, ein Ritual der indigenen Bevölkerung für Babys. Auch Ivan glaubt daran. Besonders in den großen, alten Bäumen wohnen böse Geister und manchmal holt sich Pachamama, Mutter Erde, ein Opfer, dafür dass wir Menschen diesen Urwald betreten. Als Mittel dient eine normale Zigarette, zusammen mit etwas Coca-Blättern im Mund, mit deren Rauch Ivan Diego anbläst. Auch um unsere Kabine herum wird geräuchert. Wir nehmen es dankend an. Auch wenn wir mit diesem Ritual nicht großgeworden sind, so hilft es unserer Meinung, wenn er daran glaubt.
Nach den 5 Tagen in der Chalalan Lodge geht es für uns wieder zurück in die Zivilisation. Einerseits sind wir traurig, dass wir diesen wunderschönen Ort verlassen müssen, andererseits froh, dass wir uns (hoffentlich) etwas erholen können. Für uns beide war die Zeit körperlich und geistig sehr anstrengend. Natürlich auch wegen des Klimas, aber vor allem wegen der vielen Aktivitäten, zusammen mit der Fotografie für Micha und der fast Non-Stop Betreuung von Diego für mich. In Rurrenabaque wartet gutes Wetter, ein Swimmingpool und ein Lounge-Bereich mit Hängematten auf uns. Und Bier gibt’s auch :-)
Unser Fazit: Der Bolivianische Amazonas ist von allen Amazonas Regionen (Peru, Ecuador, Kolumbien und Brasilien) am wenigsten besucht. Bolivien hat momentan sowieso kaum Touristen (Ausnahme Uyuni), wir hatten daher nahezu die gesamte Lodge für uns alleine. Weiterhin hatte man uns vorgewarnt, dass wenn man im Pantanal war, der Amazonas schnell zu einer Enttäuschung werden kann, was Tierbeobachtungen angeht. Fakt ist, dass viele Tiere im Amazonas mit unseren nicht vorhandenen Sinnen kaum aufzustöbern sind. Mit einem herausragenden Guide war der Amazonas in seiner Artenvielfalt schlichtweg atemberaubend.
Über das Chalalan Projekt:
Das Chalalan Projekt wurde 1996 gestartet kurz nach der Gründung des Madidi Nationalparks. Die Initiative ging von der Gemeinde San Jose de Uchupiamonas aus, die in diesem Gebiet seit jeher angesiedelt ist. Die Chalalan Ecologde wurde am gleichnamigen See gebaut, mit dem Ziel, Touristen dorthin zu bringen. Es war das Pilotprojekt für den Ökotourismus im Madidi Nationalpark. Mit Unterstützung von internationalen NGOs wurden die Einwohner von San Jose in Bereichen wie Guides, Küche, Management etc. ausgebildet. Es hat einige Zeit und Überzeugungsarbeit gekostet, bis die neue Art zu wirtschaften akzeptiert wurde. Bis dahin hat die Gemeinde vor allem von Holzverarbeitung und Tierfang gelebt. Heutzutage ist die Lodge, an der etwa 74 Familien finanziell beteiligt sind, eine wichtige Einnahmequelle und ein großer Arbeitgeber für die Gemeinde. Die Lodge setzt hohe Standards in Bezug auf die Unterkunft Küche und die Guides. Sie bildet ihr Personal inzwischen selbständig aus. Mittlerweise gibt es zahlreiche Logdes im Madidi Nationalpark; die Chalalan Ecologde ist allerdings in einigen Punkten einzigartig.
Sie wird ausschließlich von indigenen Leuten geführt, die die Lodge mit Herzblut und Liebe zu ihrer Heimat betreiben. Langjährige Tradition und Kultur wird weiterhin gelebt. Ihr könnt durch die Gastronomie und die Guides authentische Einblicke in deren Lebensweise bekommen.
Chalalan liegt im Ur-Regenwald; im Vergleich zu den anderen Logdes ist sie nur durch eine 6-stündige Bootsfahrt von Rurrenabaque zu erreichen.
Wie der Name schon sagt, liegt sie am Chalalan See, einer der wenigen Seen in diesem Gebiet. Dort gibt es die Möglichkeit für noch mehr und bessere Tierbeobachtungen, unter anderem vom Kanu aus. Und natürlich kann man im See auch schwimmen - eine willkommene Erfrischung im Dschungel.
Funfacts:
Die Lodge hatte durchaus schon prominente Gäste, so zum Beispiel Harrison Ford. Auch Leonardo DiCaprio war schon dort. Er hat allerdings die gesamte Lodge gemietet und seinen eigenen Koch mitgebracht.
Über das Gebiet gibt es übrigens auch einen Film, "Lost in the Jungle", der auf der wahren Geschichte des Israelis Yossi (Daniel Radcliffe) beruht, der dort auf einer Expedition war und von den Einwohnern von San Jose gerettet wurde. Gedreht wurde der Film allerdings in Kolumbien, da die Flüsse im Madidi wichtige Routen für den Kokain Transport darstellen und wohl daher keine Drehgenehmigung erteilt wurde.
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