Eis, Eis und nochmals Eis
Continental Landing in Neko Harbour – wir setzen unseren Fuß auf antarktischen Boden
Orne Harbour - auf Schneeschuhen über antarktische Gletscher
Baily Head: Einwohnerzahl 200.000 (Pinguine)
Der dritte Tag in der Antarktis. Heute ist der Tag, an dem wir tatsächlich den siebten Kontinent betreten. Wir landen in Neko Harbour, an der Ostküste von Andvord Bay. Der Ort ist malerisch in einen spektakulären, kalbenden Gletscher eingebettet. Im Frühling brüten hier etwa 250 Paare Eselspinguine. Wir haben herrliches Wetter, zum ersten Mal schneit oder stürmt es nicht, teilweise blitzt sogar die Sonne hervor. Für viele Passagiere ist das Ereignis, den Kontinent an sich zu betreten, sehr wichtig und wird mit der Antarktisflagge in der Hand zelebriert. Von diesem Punkt könnten wir, rein theoretisch, zum Südpol laufen. Theoretisch wohlgemerkt. Es sind noch mehr als 3.000 km bis dorthin, solange wird unser Schiff wohl nicht warten wollen. Für mich ist der Landgang ein weiteres unvergessliches Erlebnis in der Antarktis. Ob nun Insel, Halbinsel oder Festland, für mich zählt die Atmosphäre. Und die ist absolut unbeschreiblich und überwältigend. Die Menge an Eis, die absolute Unberührtheit der Natur, die Lebensfeindlichkeit, die dieser Ort ausstrahlt, fasziniert mich. Egal wie viele Bilder ich vorher gesehen habe, diesen Ort zu spüren und zu erleben, ist etwas anderes. Ich fühle mich klein und doch so lebendig.
Wir haben etwa 3 Stunden Zeit, um den Ort zu erkunden. Einige von uns machen eine Schneeschuh Wanderung, andere fahren mit dem Kajak und wir laufen unter Hunderten von Pinguinen herum. Man könnte meinen, wir hätten längst genug von Pinguinen. Aber nein. Immer wieder könnte ich Ihnen stundenlang zusehen, wie sie geschäftig Nester bauen, ins Meer springen, mit ihren Artgenossen schnattern… und Micha schießt das hundertste Pinguin Foto. Der Ausblick ist unglaublich. Um uns herum spektakuläre Gletscher, schneebedeckte Berge und Eisschollen.
Mittags als wir weiterfahren entdecken wir auf einmal eine Gruppe Orcas, die neben unserem Schiff schwimmt. Wow! Das ist gar nicht so üblich um diese Zeit des Jahres, da die Killerwale gerade noch auf dem Weg nach Süden sind.
Nachmittags wartet ein weiteres Highlight auf uns. Eine Schneeschuh Wanderung in Orne Harbour, auf der Nordwestseite der Arctowski Halbinsel. Wir haben Glück, dass wir ausgelost wurden. Nur jeweils 12 Personen können mitkommen, viel weniger, als Interesse haben. Tatsächlich haben wir das große Los gezogen. Für die anderen Passagiere ist „nur“ eine Zodiac Tour geplant. Die Sonne scheint, kein Wind. Es fühlt sich an wie Frühling. Josh, Guide aus Kanada, führt die Schneeschuhtour. Wir laufen im Zick Zack den Gletscher in Richtung Spigot Peak hoch. Auf ca. 200 m befindet sich eine der höchstgelegenen Kolonien von Kehlstreifpinguinen. Ihr Markenzeichen ist, wie der Name schon sagt, der schwarze Streifen am Kinn, der an den Helmriemen eines englischen Polizisten erinnert. Mit 50 bis 60 cm Körperlänge und einem Gewicht von 4-5 kg ist er einer der kleinsten Pinguine in der Antarktis. Was für ein Erlebnis, dieser Landgang. Links und rechts von uns eisiges Meer, inmitten der dramatischen Gletscherlandschaft. Um uns herum die putzigen Pinguine. Ich könnte schon wieder weinen vor Glück. Auf einmal dreht das Wetter. Der Himmel ist zugezogen und es fängt an, heftig zu schneien. So schnell kann sich das Wetter hier ändern. Dennoch ist es wunderschön. Das wechselhafte, raue Klima gehört eben zur Antarktis. Sonst wäre die Landschaft wohl nicht, wie sie ist.
Leider naht eine große Tieffront von Nordwesten über der Drake Passage. Hadleigh informiert uns abends, dass uns Wellen bis zu 6 m erwarten und wir nur mit durchschnittlich 8 Knoten zurückfahren können. Und das bedeutet auch, dass wir schon am nächsten Vormittag unsere Rückfahrt antreten müssen. Ein Landgang ist noch geplant, und zwar auf einer der South Shetland Inseln, die etwas nördlich liegen. Wir steuern Deception Island an, wo über 100.000 Kehlstreifenpinguin Paare nisten. Wir werden um 5 Uhr morgens geweckt. Noch vor dem Frühstück ist der Landgang geplant. Die Landung am Strand von Baily Head ist berüchtigt schwer, da in der Regel hohe Wellen anrollen. Wir müssen mit den Zodiacs eine sogenannte Surf Landing machen. Eine echte Herausforderung für die Zodiac Fahrer und das ganze Expeditionsteam. Mit Vollgas steuern wir auf den Strand zu, wo vier Teammitglieder warten, um das Boot festzuhalten. Wir haben nur wenige Sekunden, um auszusteigen. Bei der nächsten Gelegenheit wird das Boot wieder zurück ins Wasser geschoben. Eine Weile noch beobachten wir die nächsten Landungen. Gutes Timing und absolute Konzentration sind hier gefragt. Schon beeindruckend, was das Expeditionsteam auf sich nimmt, um diesen Ort zu besuchen. Direkt am Strand tummeln sich Tausende von Pinguinen. Einige stürzen sich in die Wellen, andere kommen gerade an Land. Ein reger Verkehr. Und je weiter wir auf der Insel laufen, desto mehr Pinguine sehen wir. In den niederen Lagen ist der Schnee bereits geschmolzen, überall werden Nester gebaut. Dahinter türmen sich hohe Gletscher, mit über 500m Höhe. Wir dürfen das ganze bei strahlendem Sonnenschein und besten Lichtverhältnissen für die Photographie erleben. Dafür steht man gerne so früh auf.
Bevor wir in Richtung südamerikanisches Festland aufbrechen, fahren wir in die Whaler’s Bay von Deception Island ein. Die Whaler’s Bay spielte seit jeher eine große Rolle im Walfang, wie der Name vermuten lässt. Die geschützte Lage der Bucht ermöglichte ein Prozessieren des Fangs vor Ort. Einige Gebäude zeugen noch von den vergangenen Aktivitäten. Die Insel ist ein aktiver Vulkan, man kann es aufgrund der Hufeisenform erahnen. Die Caldera liegt unter dem Meeresspiegel, außenherum türmt sich Vulkansand und –gestein. Der letzte Ausbruch war erst in 1969, wo die bis dahin aktiven Forschungsstationen zerstört wurden. Seitdem gibt es keine permanent besetzen Stationen mehr. In den Sommermonaten allerdings finden sich viele Forscher ein. Die Insel ist nicht nur aus geologischer Sicht interessant; aufgrund der erst kürzlichen Ausbrüche lässt sich hier die Regeneration von Fauna und Flora sehr gut beobachten.
Jetzt ist leider die Zeit für die Rückkehr gekommen. Wir brechen auf ins offene Meer; mehr als 60 Stunden in der Drake Passage erwarten uns. Und Hadleigh hält sein Versprechen - wir erleben Wellen mit mehr als 6m Höhe. Höchste Zeit, unsere Tabletten gegen Seekrankheit wieder zum Einsatz zu bringen. Wir nutzen die Zeit auf See, um etwas runterzukommen und die ersten Fotos und Videos zu sichten. Das Expeditionsteam bietet immer wieder Vorträge in der Lounge an, auch den ein oder andere Film rund um die Antarktis.
Wir sind mal wieder um soviel reicher. Viele neue Kontakte, die wir hoffentlich an dem ein oder anderem Ort wiedersehen werden, neues Wissen und unvergessliche Erinnerungen. Ein bisschen froh sind wir allerdings auch, endlich wieder festen Boden unter den Füßen und Aussicht auf Bewegung nach den zahlreichen Tagen auf See zu haben. Wir werden erstmal in Feuerland bleiben. Es gibt viel zu erleben!
Hier seht ihr unsere Route:
Und hier noch ein paar Fakten über den Tourismus in der Antarktis:
Rund 30.000 Touristen besuchen die Antarktis durchschnittlich pro Saison (mit einer Ausnahme von 2020/2021, wo es nur 15 Personen waren).
Von kleinen Expeditionsschiffen, bis hin zu riesigen Kreuzfahrten – alle Reisemöglichkeiten werden angeboten. Der Unterschied liegt im Komfort an Bord und den Möglichkeiten vor Ort (und natürlich dem Preis). Kleine Schiffe mit bis zu 80 Passagieren können in der Regel Allen gleichzeitig Landgänge anbieten; bei einer größeren Anzahl ist das organisatorisch nicht möglich, so dass abgewechselt wird. Und ab einer Größe von 500 Passagieren sind Landgänge nicht mehr erlaubt, d.h. man kann die Kulisse nur vom Schiff aus beobachten. Letzeres ist ganz und gar nicht unsere Art zu reisen und zu erleben. Für uns hätte es wohl keine bessere Wahl gegeben, als mit der Antarctica21 Crew auf der Ocean Nova zu reisen: 67 Passagiere, ein 12köpfiges Expeditionsteam plus die Schiffscrew mit 23 Personen.
Oftmals gibt es die Möglichkeit, die Reise in die Antarktis mit den Falklandinseln und Südgeorgien zu verbinden. Das vervierfacht allerdings die Zeit auf See (und den Preis).
Neben einer Überfahrt über die Drake Passage gibt es die Möglichkeit, diese zu überfliegen. Dabei geht es mit dem Charter Flugzeug von Punta Arenas, Chile, auf die Insel Rey Jorge, eine der South Shetland Inseln. Der Anflug ist sehr schwierig und stark wetterabhängig. Oftmals gibt es nur ein kleines Zeitfenster zur Landung. Dort wartet das Schiff, um die Passagiere abzuholen.
In der Antarktis selbst gibt es strenges Protokoll im Bezug auf Biosicherheit, das von der IAATO, der International Association of Antarctica Tour Operators, auferlegt wird. Hintergrund ist, dass ein Einschleppen von fremden Organismen in das Ökosystem unter allen Umständen vermieden werden muss. So dürfen wir nur spezielle Schuhe tragen, die vor und nach jedem Landgang gründlich geputzt und desinfiziert werden. Auch alles, was mit dem Boden in Berührung kommt, z.B. Rucksäcke, muss gereinigt werden. Und es ist strengstens verboten, Essen mit an Land zu nehmen.
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