Die heißen Thermen von El Sauce – Wellness Oase im chilenischen Regelwald
Delphine vor unserer Haustür in Puerto Raúl Marin Balmaceda
Der abgeschiedene Ort punktet mit freundlichen Einwohnern, einsamen Stränden und magischen Sonnenuntergängen
Pelikane, Küstenotter, Kormorane und und und - pures Leben auf den Islas Las Hermanas
Auf dem Weg nach Norden folgen wir schon seit ein paar Wochen der Carretera Austral, Traumstraße Chiles. Doch selbst hier locken immer wieder „Abstecher“ – in diesem Fall, der Fischerort Puerto Raúl Marin Balmaceda, benannt nach seinem Gründer vor knapp 100 Jahren. Diesen Tipp haben wir vor einigen Monaten von Olga und Mark, Reisebekannten aus den Niederlanden, bekommen. Das Wetter in den letzten Tagen ist leider ziemlich miserabel. Um genau zu sein, die längste Schlechtwetterperiode, seit wir vor 6 Monaten in Südamerika angekommen sind. Inzwischen ist es März, wir sind im chilenischen Regenwald unterwegs. Den ewigen Wind sind wir nun zwar los, dafür regnet es in Strömen, bei knapp 10 Grad. Und zwar fast jeden Tag. Die Prognose sieht auch nicht recht viel besser aus. Einige Mehrtagestouren haben wir deswegen schon abgesagt. Diesen Ort wollen wir uns allerdings nicht entgehen lassen. Die Insel von Raúl Marin Balmaceda ist gar nicht so einfach zu erreichen. Von der Carretera Austral führt bei La Junta eine ca. 75 km lange Schotterpiste in Richtung Küste. Auf dem Weg, liegen die Termen von El Sauce. Bei dem Wetter kommen so ein paar heiße Quellen gerade recht. Die Termen sind natürlich; in den Regionen Aysen und Los Lagos gibt es zahlreiche davon. Chile ist hier geprägt von vulkanischer Aktivität. Die Thermen sind sehr schön angelegt - vier warme Becken gibt es, dazu ein großes mit kaltem Wasser zum Abkühlen. Das ist auch nötig. Das Wasser kommt mit einer Temperatur von etwa 86° aus dem Boden und wird dann auf „Badewannentemperatur“ abgekühlt. Die Umgebung ist magisch. Um uns herum Farne, Palmen und verwunschene Bäume. Wir fühlen uns wie im Dschungel. Die Landschaft hat sich innerhalb der letzten 50 km dramatisch verändert. Wo vorher noch Eisfelder und vergletscherte Berge waren, ist jetzt Regenwald.
Am nächsten Tag machen wir uns auf nach Raúl Marin Balmaceda. Nach knapp 2 Stunden Ripio (schlechter Schotterstraße) erreichen wir die Fähre. Der 10-minütige Service, der den Rio Palena quert, fährt "bei Bedarf". Und so werden wir persönlich und exklusiv abgeholt. Unglaublich, dass der Transfer kostenlos ist. Der Ort selbst ist sehr überschaubar, etwa 240 Einwohner hat es aktuell. Dennoch, alles was man braucht. Einen kleinen Supermarkt, ein Restaurant, einen Campingplatz und viel Natur. Wir suchen uns einen Stellplatz direkt am Fjord. Hier ist es ein wenig windgeschützt. Leider hat der Wind wieder etwas zugenommen, seit ein paar Stunden gepaart mit Starkregen. Kein besonders schönes Gefühl im Camper. Immerhin sind wir seit eine Woche stolze Besitzer eines „Starlink“ und können uns so überall ins Internet verbinden. Genial! Chile war eines der ersten Länder, die die Serviceabdeckung anbieten.
Am nächsten Tag sieht die Welt schon anders aus; der Regen hat aufgehört. Wir erahnen zum ersten Mal, an welchem besonderen Ort wir uns befinden. Vor unserem Camper tummeln sich immer wieder Delphine. Im Fjord schwimmen die sogenannten chilenischen Delphine (ja, das ist der echte biologische Name). Wir wollen mit dem Kajak weiter in den Fjord paddeln. Leider begleiten uns keine Delphine :-( Den ein oder anderen Magellanpinguin und Seerobben sehen wir schwimmen, ansonsten ist es ruhig um uns herum. Dennoch, ich liebe die Stille beim kajaken.
Auch der kommende Tag verspricht trocken zu sein. Wir wollen den anderen Teil der Insel erkunden. Und so spazieren wir am Spätnachmittag über sanfte Dünen zum Strand. Die Landschaft ist wild und unberührt.
Auf dem Rückweg kehren wir ins Inselrestaurant ein. Hier gibt es nur regionale Produkte, das heißt, es steht Fisch auf der Speisekarte. Ich entscheide mich für Seehecht, Micha probiert die Empfehlung des Hauses, den weniger bekannten pazifischen Sierra. Zur Vorspeise Puyes (zu deutsch: gefleckter Hechtling), kleine Süßwasserfische, etwa 5-7 cm lang, mit süßlichem Geschmack - direkt aus dem Rio Palena. Zubereitet mit Öl, pikanten Gewürzen und viel Knoblauch. Pil-pil nennt sich die Zubereitungsart hier. Sehr lecker!
Inzwischen haben wir uns auf dem lokalen Campingplatz einquartiert. Bei der wenigen Sonne brauchen wir Strom für unseren Camper. Wenn wir nicht fahren und so die Batterie über unsere verstärkte Lichtmaschine geladen wird, können wir nur Solarenergie gewinnen. Don Luis betreibt seit wenigen Jahren den (einzigen) Campingplatz auf der Insel. Als Enkel des Gründers von Raúl Marin Balmaceda hat viel zu erzählen. Er setzt sich sehr stark für den Ort ein, versucht, die Infrastruktur auszubauen und mehr Touristen zu gewinnen. So gibt es seit kurzem sogar einen kostenlosen Bus von La Junta, der den Fischerort anfährt. Auch Ausflüge bietet er an, vor allem Bootstouren.
Für Mittwoch plant Don Luis, zu den Islas las Hermanas zu fahren, eine Inselgruppe, die etwa 10 km vor Raúl Marin Balmaceda liegt. Wir schließen uns an. Das Wetter ist herrlich – strahlend blauer Himmel und kein Wind. Unglaublich nach den vorangegangenen sinnflutartigen Regenfällen. Dafür ist es sehr kalt geworden, nachts liegen die Temperaturen um den Gefrierpunkt. Gegen 11 Uhr treffen wir uns am Pier; zusammen mit Felipe, dem Co-Kapitän, und 5 weiteren Passagieren brechen wir auf. Schon im Hafen umringen uns Delphine. Don Luis erzählt, dass letztes Jahr sogar Wale gesichtet wurden, im Februar angeblich jeden Tag. Diese Saison leider nicht. Aufgrund der häufigen Regenfälle, haben die Zuflüsse mit dem vielen Sediment das Meerwasser nahe der Küste verunreinigt. Die Wale finden unter diesen Bedingungen dort keine Nahrung und bleiben weiter draußen. Schade… Dennoch, wir können uns nicht beklagen. Die Inseln wimmeln von Tieren. Micha bekommt zahlreiche besondere Vögel wie Kelpgänse, Riesendampfschiff-Enten, antarktische Kormorane und sogar Pelikane vor die Linse. Uns das alles vor dem spektakulären vergletscherten Vulkan Melimoyu im Hintergrund. Wir können Seebären und Küstenotter beobachten. Don Luis kennt hier jede Tierart und weiß, wo sie zu finden ist.
Den Nachmittag verbringen wir am Strand. Wir suchen uns einen Stellplatz in den Dünen, in Richtung Westen. So ein klarer Tag ist perfekt, um den Sonnenuntergang zu beobachten. Micha backt Brot, wir genießen Bier und Snacks in der Abendsonne, bis schließlich um 20:19 Uhr die Sonne untergeht. Die Tage werden nun, wo der patagonische Herbst kommt, merklich kürzer.
Mit dem perfekten Abend verabschieden wir uns am nächsten Tag von Raúl Marin Balmaceda. Aber nicht ohne ein Souvenir, zusätzlich zu den fantastischen Erinnerungen und Fotos. Von den Fährmännern bekommen wir einen sog. Cantauria, einen Hirschkäfer. Getrocknet natürlich. Ein etwas eigenwilliges Geschenk, aber natürlich bekommt er einen Ehrenplatz auf unserem Cockpit. Und als wir die 75 km lange Schotterpiste zurückfahren, erklären wir es zum „Ripiometer“. Seht selbst :-)
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