Südamerikanische Straßenverhältnisse haben es in sich – ein Allradfahrzeug bewährt sich
Unser Offroad Training macht sich bezahlt – wir wissen, was Hugo alles kann
Flussquerungen, steile Hänge und Matsch – die Offroadtechniken bewusst eingesetzt
Unterwegs im Dschungel – Hugo bringt uns an die einsamsten Ecken
Abschleppen mit Lasso - ob die Gaucho-Technik wohl funktioniert?
Immer wieder gibt es auf unserer Reise wunderschöne Orte, die nicht so einfach zu erreichen sind. Zumindest nicht über eine geteerte Straße. Das ist in Patagonien öfter der Fall, als ihr Euch vorstellen mögt. Meist sind es allerdings Feldwege (besserer oder schlechterer Qualität), die tatsächlich jedes Fahrzeug meistern kann. Nervig ist das eher für uns, weil es alles kräftig durchrüttelt und man oft nicht schneller als 20 km/h fahren kann. Ein paar Orte allerdings sind tatsächlich nur über „echte“ Offroad-Strecken zu erreichen. Und genau deshalb sind wir mit Hugo unterwegs. Denn diese Orte sind in der Regel sehr besonders und wenig frequentiert.

Schon als wir in Brasilien, im Pantanal unterwegs waren, hat sich Hugo bewährt. Für die Transpantaneira, eine 147 km lange Naturstraße, ist offiziell kein Offroad Fahrzeug nötig. Dennoch können sich die Straßenverhältnisse durch starke Regenfälle schnell verschlechtern. So ist es eher eine Frage des guten Gewissens, ein Allradfahrzeug zu haben. Bei den sandigen Pisten in Richtung Bahia Sia Mariana hingegen, wären wir ohne Allrad nicht weiter gekommen.
Apropos, Allrad ist nicht alles in Sachen Geländegängigkeit. Genauso wichtig ist die Größe des Fahrzeugs. Wir sind mit 1,98 m Breite und 2,35 m Höhe relativ kompakt unterwegs. Da sind die meisten Wege kein Problem. Und sollte doch einmal eine Liane im Weg sein, muss der Beifahrer sie eben beseitigen :-) Auch das Gewicht spielt eine entscheidende Rolle, haben wir gelernt. Viele Brücken sind auf max. 5 Tonnen begrenzt, einige haben gar keine offizielle Gewichtszulassung und sehen ziemlich bruchfällig aus. Wir sind mit 3,5 Tonnen eher ein „Leichtgewicht“ unter den Overlandern. Alles, was die Einheimischen mit ihren Fahrzeugen fahren, halten wir für machbar.

Auch viele Trailheads für Wanderungen sind nur mit dem Allradfahrzeug zu erreichen. Beziehungsweise, wenn man keines hat, läuft man länger. Zum Beispiel im Parque National Patagonia, Chile. Der Mirador Doug Tompkins ist nur über eine mehrere Kilometer lange Offroad Strecke zugänglich. Da sind wir mit unserem Toyota Landcruiser ganz klar im Vorteil. Der Zuweg ist nicht gerade ein Highlight. Wir sparen uns die Energie lieber, um vor Ort zu wandern. Außerdem macht Offroad Fahren echt Spaß!
Oftmals suchen wir uns gezielt Offroad Strecken aus. Der Weg zum Monte San Lorenzo ist eine davon. Der erste Teil ist eine „ganz normale patagonische“ Schotterstraße. Erst für die letzten 10 Kilometer ist ein Allradfahrzeug nötig. Die Wege sind unwegsam, über Steine und Geröll, mit ordentlichem Anstieg oder Gefälle. Wir fahren im Allradantrieb mit Untersetzungsgetriebe. Das ist eine Getriebevariante, die es erlaubt bei weniger Geschwindigkeit mehr Drehzahl zu haben. Oftmals bewegen wir uns nur mit Standgas - mit etwa 5 – 10 km/h. Im Vordergrund steht nicht das Tempo, sondern die Sicherheit für Fahrer und Fahrzeug. Denn normalerweise gibt es genau auf solchen Strecken keinerlei Handyempfang, um Hilfe zu holen, und in der Regel trifft man niemanden.

Unser Allradantrieb ist übrigens zuschaltbar. Wir legen die Getriebeart mit einem zweiten Schalthebel ein. Zusätzlich müssen wir noch die Freilaubnaben schließen. Damit sind die Räder nicht mehr vom Antriebsstrang abgekoppelt und die Kraft wird auch wirklich auf die Räder übertragen. Das heißt Aussteigen. Und alles was mit Aussteigen verbunden ist, ist Beifahreraufgabe :-)
Bevor wir unser Fahrzeug nach Südamerika verschifft haben, haben wir ein Offroad Training gemacht. Einen ganzen Tag lang haben wir gelernt, was unser Fahrzeug kann. Und das ist Einiges. Manches will man gar nicht ausreizen. So fühlt es sich zum Beispiel als Passagier schon extrem unangenehm an, wenn das Fahrzeug in einer kleinen Seitenlage ist. Offroad fahren ist zudem schwieriger als man zunächst meint. Nur weil wir ein Allradfahrzeug haben, heißt das noch lange nicht, dass wir Offroad fahren können. Die wichtigste Lektion, die uns Jörg, unser Trainer, beigebracht hat, ist „Vergiss die Kupplung“. Und in der Tat, die Kupplung ist eines der gefährlichsten „Werkzeuge“. Wir benutzen sie nur zum Anfahren und zum Gangwechsel auf sicherem Gelände. Die Kupplung im falschen Moment getreten, kann einen in ungeahnt schwierige Situationen bringen. Dies gilt besonders für Fahren am Berg. Denn dann wirkt die Bremskraft des Motors nicht mehr. Im Zweifel lieber den Motor absterben lassen, als im falschen Moment die Kupplung treten. Dann aber den Motor schnell wieder anlassen (und den Gang ohne Kupplung einlegen), denn sonst ist das Fahrzeug nicht mehr zu lenken. Klingt so banal, ist aber wirklich essentiell. Wenn man erstmal spürt, wie ein 3,5 Tonnen schweres Fahrzeug außer Kontrolle gerät, wird einem ganz anders. Wir haben bewusst einige Extremsituationen durchgespielt, um uns darauf vorzubereiten.
An schwierigen Passagen muss der Beifahrer natürlich aussteigen und diese zu Fuß erkunden. Oftmals sieht man nicht, wie der Weg weitergeht. Bevor man sich blind in schwieriges Gelände navigiert, ist das unerlässlich. Gegebenenfalls werden Steine oder andere Hindernisse aus dem Weg geräumt. Und bei Flussdurchfahrten geht es gar nicht ohne Aussteigen. Auf dem Weg zum Fundo San Lorenzo gilt es, den schnell fließenden Rio Tranquilo zu überqueren. Das Wasser ist nicht arg tief, maximal 40 cm. Zudem ist der Untergrund fest, mit Kies und Steinen. Das heißt, keine Gefahr einzusinken. Dennoch – es ist unsere erste Flussquerung außerhalb des Offroad Parks und ich bin etwas angespannt. Im Nachhinein allerdings ein Kinderspiel. Wir wissen, dass wir mit unserem Toyota auch deutlich tiefere Gewässer queren könnten. Die Fahrerkabine ist wasserdicht und solange das Wasserniveau den Motor nicht erreicht, kein Problem. Was allerdings auf gar keinen Fall passieren darf, ist, dass der Motor ausgeht. Dann dringt nämlich das Wasser über den Auspuff ein – und das war’s.
Nicht immer klappt es allerdings so, wie gedacht. In Chile wollen wir uns den Wanderweg zum Vulkan Puyehue verkürzen - mit einem Allradfahrzeug kann man angeblich noch 5 km weiter in Richtung Trailhead fahren. Es geht einen matschigen Weg nach oben, wir fahren entspannt im Allradantrieb mit Geländeuntersetzung. Bis an einem steilen Stück mit etwa 25° Grad Steigung nichts mehr geht. Ich sehe aus dem Beifahrerfenster, dass der rechte Vorderreifen durchdreht. Wir starten einen Versuch am Hang anzufahren, diesmal mit Differentialsperren. Das war's. Als wir aussteigen sehen wir erst das gesamte Ausmaß der Katastrophe: wir haben uns mit drei von vier Reifen im Schlamm "eingegraben". Hinten sitzen wir auf, wir stecken fast 50 cm im Dreck. Sämtliche Bodenfreiheit unseres Toyota ist dahin. Vielleicht hätte ich früher aussteigen sollen... Unsere einzige Lösung - uns freischaufeln. Eine mühsame Angelegenheit für Micha. Wir wechseln uns ab. Nach etwa 2 Stunden starten wir einen Versuch rückwärts rauszufahren - keine Chance.
Auf einmal kommt ein Gaucho angeritten. Und einige Minuten später kommt von oben Richtung Trailhead ein Jeep. Unsere Rettung? Sie wollen versuchen, uns rückwärts den Hang hinab rauszuziehen. Beim ersten Versuch reißt das Lasso nach ein paar Sekunden (kein Scherz, Gaucho Style halt :-)). Kurzerhand fahren die beiden mit dem Jeep davon, das Pferd bleibt bei uns. Mit einem festeren Gurt kommen die beiden zurück. Neuer Versuch, neues Glück. Tatsächlich kommen wir aus dem Quark... ähhh Matsch. Leider rutschen wir so blöd quer, dass wir um ein Haar mit dem Hinterreifen in einen Graben fahren. Uns ist nicht mehr zum Lachen zumute... Und auch ans fotografieren ist nicht zu denken - es geht um zu viel. Wir haben noch einen Versuch vorwärts. Der muss sitzen, da wir nur noch ca. 20cm vom Graben entfernt sind und nicht weiter zurück rutschen dürfen. Der Jeep zieht und wir schaffen es tatsächlich auf eine gerade Fahrspur. Puh! Bei der Frage, ob wir weiter Richtung Trailhead fahren wollen, müssen wir nicht lange überlegen. Wir parken unser Auto auf der nächsten Grasebene. Auf den ersten Blick scheint alles heil geblieben. Und aus der Erfahrung werden wir lernen!

Für uns ist wichtig, uns langsam ans eigenständige Offroad Fahren heranzutasten. Und, dass wir Beide Erfahrungen sammeln. Übung macht den Meister! Gelegenheit zu üben, gibt es in Südamerika zum Glück genug :-)
Comments