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AutorenbildMarion Marquardt

Nationalpark Pumalin "Extrem" - eine Nacht im Kajak

Aktualisiert: 6. Mai 2023

Unterwegs im idyllischen Quintupeu Fjord, begleitet von Seelöwen und Delphinen
Artenreiches Naturparadies im gemäßigten valdivianischen Regenwald
Augen auf bei der Zeltplatzwahl - die Tiden sind nicht zu unterschätzen in den chilenischen Fjorden
Das Meer holt uns ein - meine erste Nacht im Kajak

Wir haben bereits den südlichen Teil des Pumalin Nationalparks erkundet. Der ist größtenteils mit dem Auto und zu Fuß gut zu erreichen. Der nördliche Teil hingegen besteht aus einer verzweigten Fjordlandschaft, nur vom Wasser aus zugänglich. Wir haben von mehrtägigen Kajaktouren dorthin gehört. Heiße Quellen, artenreiche Flora und Fauna und ruhige Fjorde klingen verlockend. Aber wozu einen Guide buchen, wenn man selbst ein Kajak an Bord hat?


Mit unserem Camper fahren wir bis zum Ende der Straße, nach Pichanco, wo wir unser Kajak launchen. Wir begnügen uns mit einer 2-Tagestour in den Quintupeu Fjord. Etwa 12 Kilometer sind es einfach. Bepackt mit Zelt, Ausrüstung und Proviant für 2 Tage machen wir uns morgens auf den Weg.


Pichanco Pumalin Kayak Trip
Von hier an geht es mit dem Kajak weiter....

In den Morgenstunden ist die See verhältnismäßig ruhig. Begleitet werden wir von zahlreichen Seelöwen. Sie schwimmen um uns herum, sonnen sich auf Bojen und necken sich gegenseitig. Herrlich! Etwas schüchterner als ihre argentinischen Artgenossen in Puerto Deseado sind sie allerdings. Nach etwa einer Stunde entlang der Küste biegen wir in den Quintupeu Fjord ab. Die Landschaft erinnert uns an Norwegen. Immer wieder fließen Wasserfälle links und rechts die von den Bergen ringsherum hinunter. Einzig durch zwei Lachszuchtstationen wird die Idylle etwas gestört. Dennoch treffen wir niemanden außer ein paar Arbeitern, die mit dem Boot zu Ihrer Schicht eintreffen.


Seelöwen, Seehunde Pumalin Nationalpark Natur Chile Kayak Tour
Streit um die besten Plätze bei den Seelöwen



Nach einer Weile finden wir einen kleinen Strand, der zu einer Pause einlädt. Gar nicht so einfach, bei den Steilwänden am Fjord. Wir sind nur etwa eine halbe Stunde an Land und schon währenddessen bemerken wir, wie schnell die Flut naht. Das Wasser steigt minütlich an. Wir haben gehört, dass die Tiden in den Andischen Fjorden extrem sind. Über genaue Höhen haben wir uns nicht informiert. Man kann an den Küstenlinien erahnen, dass es locker 2 Meter Unterschied sein könnten. Gestärkt paddeln wir weiter. Das Wetter ist herrlich. Endlich sind wir die südpatagonischen Winde los. Der Sonnenschein fühlt sich nun auch warm an. Am Ende des Fjords mündet der gleichnamige Fluss hinein. Momentan ist vermutlich fast der Tidenhöchststand erreicht. Wir haben kaum eine Möglichkeit anzulanden. Schwierig, hier einen Zeltplatz zu finden. Das Ufer ist hier zwar flacher, allerdings auch von Schilf und Sträuchern bewachsen und oft sumpfig, bevor es in dichten Regenwald übergeht.


Ein Stückchen flussabwärts hatte sich eine kleine Halbinsel abgezeichnet. Wir landen an und wählen sie als Zeltplatz - aus Mangel an Alternativen. Uns ist bewusst, dass wir nicht zu knapp kalkulieren dürfen, falls das Wasser bei der nächsten Flut in der Nacht noch etwas höher ist, und positionieren uns an der höchsten Stelle - etwa 1 Meter oberhalb. In der Nachmittagssonne bauen wir uns einen Tische und Sitzgelegenheiten aus Treibholz und genießen einen Kaffee. Echt idyllisch hier.



Mittlerweile setzt die Ebbe merklich ein. Das Wasser sinkt rasend schnell. Schon bald sitzen wir auf dem Trockenen. Rund um uns herum Steine und Sand. Wenn wir morgen früh zur Ebbe losrudern, müssen wir unser Kajak erstmal 200m zum Wasser tragen. Naja... Wir nutzen die Gunst der Stunde - Micha natürlich zum Fotografieren und ich zum Muscheln Sammeln. Bei Ebbe findet man unzählige Miesmuscheln. Das gibt ein leckeres Abendessen bei unserer Rückkehr.


Quintupeu Fjord Pumalin National Park Kayak Trip Heisse Quellen Thermen Chile Abenteuer
Quintupeu Fjord bei Sonnenuntergang - Wasser auf dem Rückzug

Quintupeu Fjord Pumalin National Park Kayak Trip Heisse Quellen Thermen Chile Abenteuer
Spektakuläre Farben lassen den Fjord erstrahlen

Cut - 1:34 Uhr im Zelt.


Micha schüttelt mich heftig. Ich wache auf. Muss das sein? Ich hab doch wohl nicht geschnarcht. Moment… ich bin im Wasserbett. Alles schaukelt. What??? Auf einen Schlag bin ich hellwach. Das Meer hat uns eingeholt. Das gibt’s doch nicht!!!! Nach der ersten Panik greift das Notfallprotokoll:


1.Priorität: Schlafsäcke trocken halten. Alles andere war oder ist in Windeseile durchnässt. Zum Glück sind Ersatzkleidung und Kameraequipment in wasserdichten Packsäcken untergebracht. Das Wasser steigt rasend schnell. Wir sind ca. 40cm unter Wasser… und das ist noch nicht das Ende. Und es ist a… kalt. Wir suchen mit der Taschenlampe nach einem trockenen Platz. Vergeblich. Sogar unser Esstisch ist unter Wasser. Die komplette Halbinsel ist abgesoffen. Auf einem Baum können wir die Schlafsäcke aufhängen.


2.Priorität: Kajak suchen, da dieses der einzige Weg aus dem Fjord ist. Hoffentlich ist unser Kajak nicht weggespült. Micha muss hüfttief ins Wasser, um es zu holen. Glücklicherweise hat das Schilf seinen Dienst getan und es wurde nicht abgetrieben. Micha fängt nach dieser Aktion zu zittern an, sprechen geht kaum noch - erste Anzeichen für eine drohende Unterkühlung. Kein Wunder bei ca. 12 Grad Wassertemperatur.


3.Priorität: Platz über Wasser finden. Dass dies an Priorität 2 geknüpft ist, wurde uns nach dem scannen des Geländes schnell klar, zumal unser Kajak der einzig trockenen Ort weit und breit ist. Wir binden das Kajak fest um nicht abgetrieben zu werden und steigen mit den Schlafsäcken ins Boot. Skurril. So skurril, dass ich lachen muss.



Es wird noch skurriler. Im Kajak wird es schnell warm und es ist sogar einigermaßen bequem. Allerdings schwimmen jetzt Seelöwen immer wieder, laut brüllend, an unserem Kajak vorbei. Micha hat Angst, dass sie uns nassspritzen oder gar umwerfen, was zum Glück nicht passiert. Schließlich können wir tatsächlich noch ein bisschen schlafen. Uns als ich um 7 Uhr morgens vom Sonnenaufgang geweckt werde, sitzen wir wieder auf dem Trockenen. Ich kann es noch immer nicht fassen, dass wir uns von den Tiden so täuschen haben lassen. Wie wir später recherchieren sind es tatsächlich etwa 4,70m unterschied zwischen Ebbe und Flut. Ein Guide hätte wohl gewusst, wo wir unser Camp positionieren können :-)


Unser Zelt sieht etwas mitgenommen aus. Überall kleben Schilf und Algen, alles ist pitschnass. Wir packen alles so gut wie möglich zusammen. Jetzt müssen wir tatsächlich erstmal unser Kajak einige hundert Meter bis zum Fjord tragen. Wir machen uns auf den Rückweg und schmunzeln vor Erleichterung, dass doch noch alles glimpflich ausgegangen ist.


So sieht Dein Zelt aus, wenn gerade das Meer durchgeflossen ist


Die Nachbereitung fällt diesmal etwas umfangreicher aus. Auf dem Campingplatz breiten wir erstmal alles zum Trocknen aus, putzen unser Zelt etc. Aber im Nachhinein können wir darüber lachen. Und abends gibt es leckere Miesmuscheln in Weißweinsoße. Well deserved nach diesem Abenteuer :-)




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