Abenteuerliche Anfahrt – die Offroadpiste bietet vieles was das Herz von Allradfans begehrt
Das Fundo San Lorenzo – familiäres Camping inmitten magischer Bergkulisse
Gemütliche Basis für Bergsteiger – das Rifugio Toni Rohrer bietet Schutz gegen Kälte und Regen
Auf den Spuren der Gipfelstürmer - wir erklimmen den Paso del Comedor
Wir sind mal wieder einem Geheimtipp auf der Spur – Monte San Lorenzo. Der 3.706 m hohe Gipfel thront an der argentinisch-chilenischen Grenze im Süden Patagonien’s und ist einer der wenigen hohen Berge außerhalb des patagonischen Eisfelds. Unter Bergsteigern ist der Gipfel natürlich kein Geheimtipp. Wir allerdings haben davon bisher noch nichts gehört. Eine Gipfelbesteigung planen wir erst gar nicht; uns ist wohl bewusst, dass unsere Fähigkeit dafür bei Weitem nicht ausreichen. Diese ist erfahrenen Alpinisten und Kletterern vorbehalten und selbst von jenen sind auch hier viele gescheitert oder gar ums Leben gekommen. Dennoch wollen wir den magischen Ort erkunden, soweit es uns möglich ist.
Schon die Anfahrt ist ein Abenteuer. Vom nächsten Ort, dem chilenischen Cochrane, sind es etwa 60 km, davon etwa 10 Kilometer Offroadpiste. Gut, dass das für unseren Toyota Landcruiser kein Problem ist. Endlich können wir sein Potential ausschöpfen. Von steilen, unwegsamen Gelände bis zur Querung eines schnell fließenden Flusses ist alles dabei. Was für ein Erlebnis.
Die wilde patagonische Landschaft ist traumhaft. Nach etwa 3 Stunden erreichen wir das Fundo San Lorenzo. Hier leben Lucy und Luis seit etwa 40 Jahren. Wer mag, kann bei ihnen campen. Das Grundstück ist riesig, auch Vieh- und Schafwirtschaft wird hier noch betrieben. Die Estancia liegt malerisch im Tal vor dem Monte San Lorenzo. Wir haben bestes Wetter, der majestätische Gipfel ist komplett zu sehen und unverkennbar in Schnee und Eis gehüllt.
Schon viele Bergsteiger hat es hierher gezogen. Der Aufstieg ist sowohl von der chilenischen, als auch der argentinischen Seite möglich. Die Erstbesteigung allerdings hat Alberto de Agostini 1943 von der chilenischen Seite gemacht. Auf 1.000 m sieht man noch immer die Reste seines ehemaligen Basislagers. Von dort hat er unzählige Gipfelversuche gestartet, bis er letztlich – im stolzen Alter von 60 Jahren - den Gipfel erklommen hat. Genau an derselben Stelle haben Lucy und Luis vor 26 Jahren ein Refugio errichtet. Wir dürfen im Bautagebuch stöbern. Eine immense Leistung, wenn man bedenkt, dass es damals nicht einmal eine Straße bis zu ihrer Estancia gab. Jeder Weg in die Stadt musste – zumindest teilweise - mit Pferden zurückgelegt werden. Und dann sind es noch etwa 3 Stunden Fußmarsch von der Estancia bis zum Basislager.
Das Refugio ist komplett aus Holz gebaut. Luis hat es im Sommer 1997 zusammen mit einem Architekten aus Cochrane gebaut. Nur mit einer Axt und einer Motorsäge. Das Holz für die Wände und den Boden wurde direkt vor Ort zugeschnitten. Nur die Dachschindeln wurden vorgefertigt und dorthin transportiert. Lucy erzählt, dass sie in jenem Sommer 3 Monate mit ihren 3 Söhnen im Zelt am Basislager verbracht hat, um mitzuhelfen. Wenn man die Geschichte aus erster Hand erzählt bekommt, staunt man umso mehr, welch „Luxus“ einen mitten in der Natur erwartet. Selbst ein Ofen ist vorhanden. Er wurde mühsam mit dem Pferd und – auf schwierigen Stücken – mit 6 Mann hochtransportiert. Das Refugio kann bis zu 20 Mann beherbergen. Erst in 2001 hat es seinen jetzigen Namen bekommen – Refugio Toni Rohrer. Benannt nach dem Schweizer Extrembergsteiger, der in jenem Jahr vor dem Gipfel des Monte San Lorenzo tödlich verunglückte. Maria seine Frau hat die bis dato namenlose Hütte ihrem verstorbenen Ehemann gewidmet.
Wir brechen am nächsten Tag vom Fundo San Lorenzo auf. Rund 3 Stunden dauert die einfache Wanderung bis zur Basis auf 1.000m. Schon von Weitem können wir den Monte San Lorenzo erkennen. In strahlendem Weiß leuchtet er uns entgegen. Wir haben das perfekte Wetter. Wolkenlos, kaum Wind. Das Refugio liegt idyllisch am Waldrand, recht nahe an der Baumgrenze. Wir sind erstaunt, wie toll es aussieht, innen wie außen. Unten befindet sich die Küche und der Aufenthaltsraum, oben im Dach der „Schlafsaal“ (d.h. viel Platz, um Isomatten und Schlafsäcke auszubreiten). Wir genießen den restlichen Nachmittag am Fluss nebenan. Die Temperaturen laden zum Chillen ein. Tage oder gar Stunden, an denen wir uns in kurzer Hose sonnen können, hatten wir im patagonischen Sommer seltenst. Gegen Abend laufen wir zur nahe gelegenen Lagune, für eine kleine Yoga-Einheit. Leider ist es inzwischen zugezogen, der Gipfel ist nicht mehr zu sehen. Wir ärgern uns, dass wir während der sonnigen Nachmittagsstunden kein einziges Foto gemacht haben. Eigentlich sollten wir nach 4 Monaten in Patagonien wissen, wie vergänglich gutes Wetter ist J
Am Dienstag wollen wir uns dem Gipfel etwas nähern. Der Paso del Comedor soll lohnenswert und aussichtsreich sein; er liegt kurz vor dem 2. Lager für die „Gipfelstürmer“. Rund 3 Stunden braucht man angeblich einfach für die rund 1.000 Höhenmeter; perfekt, um den Tag gemütlich zu starten. Nach dem Frühstück geht es los. Das erste Stück ist gut markiert mit Steinmännchen. GPS-Koordinaten vom Weg haben wir leider nicht, lediglich eine Topokarte auf dem Handy. Der Weg führt über Geröllfelder entlang eines Baches bergauf. Schon bald sind keine Markierungen mehr zu sehen. Wir folgen dem Bachlauf weiter bergauf. Das Wetter klart auf und wir haben herrlichen Aussichten in das Tal, das wir hinter uns gelassen haben. Vor uns liegt eine Lagune, in der Eis vom nahegelegenen Gletscher schwimmt.
Wir klettern noch ein Stückchen weiter hoch, im wahrsten Sinne des Wortes, denn das Gelände wird immer schwieriger. Irgendwann sind wir auf Höhe des Passes, der allerdings etwa 1 km Luftlinie von uns entfernt liegt - zwischen uns ein steiles Eisfeld. Eine Querung ohne Steigeisen ist unmöglich, nach wenigen Schritten kommt man ins rutschen. Wir ärgern uns, dass wir sie nicht eingepackt haben. Haben wir sogar noch Lucy gefragt… Nun ja, der Ausblick ist dennoch magisch.
Wir genießen noch etwas, dann müssen wir uns schon auf den Rückweg machen. Der Aufstieg hat uns tatsächlich über 5 Stunden gekostet. Den Abstieg versuchen wir etwas direkter. Das Gelände ist noch steiler und einige Passagen müssen wir doch wieder umgehen. In Summe sind wir auch nicht wirklich schneller. Ich bin fix und fertig. Das Terrain und die Wegfindung erschöpfen mich. Erst gegen 20:30 Uhr erreichen wir das Refugio. Und auf uns warten zwei Jungs. Bruno und Juan aus Uruguay sind heute angekommen. Während wir kochen, unterhalten wir uns ein wenig über unsere Reisen, tauschen Tipps und Kontakte aus. Für mehr reicht die Energie nicht. Trotz hartem Holzboden schlafe ich wie ein Stein.
Am nächsten Morgen regnet es. Jetzt ist der Blick auf den Monte San Lorenzo endgültig verwehrt. Wir wollten sowieso absteigen. Bevor wir aufbrechen, hinterlassen wir noch ein Souvenir, wie es viele vor uns gemacht haben. Eine schöne Tradition.
Am Fundo San Lorenzo wartet eine heiße Dusche und ein geheizter Camper auf uns. Herrlich! Wir tauschen uns noch etwas mit Lucy aus. Sie backt gerade frische Semmeln und kocht Marmelade ein. In dieser Abgeschiedenheit ist es essentiell, sich selbst zu versorgen. Im Prinzip gibt es alles, was man braucht. Holz zum Heizen und Grundnahrungsmittel reichen aus. Im Gewächshaus gedeiht so gut wie jedes Gemüse, weiß Lucy. Der geringe Strombedarf wird mit Solarenergie generiert. Auch wenn sie nicht ausreicht, um einen Kühlschrank zu betreiben, gibt es draußen Möglichkeiten, frisches Gemüse und sogar Fleisch für einige Zeit zu konservieren. Trotzdem lebt die Familie nur im Sommer, sprich von November bis Mai hier, am Fundo San Lorenzo. Den Winter verbringen sie etwa eine Stunde weiter in Richtung Cochrane. Oftmals ist der letzte Teil der Strecke im Winter für längere Zeit nicht passierbar. Sowohl die Straße als auch das Haus leiden unter dem kalten Winter. Im Frühjahr muss erstmal vieles repariert werden, Fließen springen, Wasserrohre frieren ein. Lucy plant diesen Winter, das erste Mal auf dem Sommergrundstück zu überwintern, um es instand zuhalten. So etwas hätte tatsächlich auch für uns einen großen Reiz. Mal sehen, ob sich der Traum an dem ein oder anderen Ort verwirklichen lässt…
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