Ohne Organisation, viel Geduld und Teamwork läuft nichts
Vieles ist möglich – die Grenze ist meist die Energie der Eltern
Autofahren als Entspannungspause für die Eltern
Ein Leben im Mittelpunkt - Diego ist in Südamerika immer das „Highlight“
Wir vermissen den Deutschen Drogeriemarkt
Jetzt nach etwa vier Monaten unterwegs mit Diego im Camper ist es mal an der Zeit Euch einen Einblick zum Reisen mit Diego zu geben. Also speziell zum Reisealltag mit ihm und wie wir alles handeln.
Vorab, es ist wirklich nicht einfach. Und ohne organisierte Abläufe, viel Geduld und gegenseitiges Unterstützung geht gar nichts.
Fangen wir mal morgens an. Wir brauchen keinen Wecker, Diego weckt uns je nach Phase zwischen 6 Uhr und 8 Uhr morgens. In ganz seltenen Fällen schläft er auch mal bis 9 Uhr, das ist aber die Ausnahme, wenn er mal krank oder spät im Bett ist.
Micha spielt dann mit Diego im Bett und ich richte währenddessen Frühstück für uns drei her. Ganz am Anfang hat Diego morgens und vormittags noch meine Milch getrunken. Inzwischen isst er mit uns am Frühstückstisch, je nachdem ein bisschen Obst, Brot, Pfannkuchen - was es halt so gibt. Viel Hunger hat er morgens nicht. Geduld, allerdings auch nicht. Meistens ist nach 10 Minuten im Hochstuhl die Ruhe vorbei. Speziell für Micha echt schwer, denn er will es morgens eher gemütlich angehen lassen und neben dem Frühstück Zeitung und andere wichtige News lesen. Einer von uns muss also Diego aktiv bespielen oder wir halten es kurz.
Ich kümmere mich um den Abwasch, Micha macht anschließend den Camper abfahrbereit. Das geht relativ fix – reine Routine. Nur nun mit dem zusätzlichen Schritt, dass Diego‘s Kindersitz eingebaut werden muss. Hintergrund ist, dass wir nach wie vor nur einen Zweisitzer haben. Der Kindersitz hat seinen Platz im Durchstieg gefunden. Wir haben einen sogenannten Reboarder. Das heißt Diego kann vorwärts- oder rückwärtsgerichtet fahren. Eigentlich darf er in seinem Alter nur rückwärtsgerichtet fahren. Die erste Zeit während der Fahrt, wenn Diego schläft, fährt er also in Richtung Wohnkabine. Das klappt normalerweise ein bis maximal zwei Stunden. Wenn Diego dann wach ist, drehen wir seinen Sitz um, so dass er zu uns nach vorne ins Fahrerhaus schaut. Mehr als eine halbe Stunde akzeptiert er das leider nicht. Dann hilft nur noch ab zum Beifahrer auf den Schoss. Und das wiederum ist ein fulltime-Job und unter keinen Umständen mehr als 30 Minuten zu ertragen. Denn Diego will das Handschuhfach leeren (im besten Fall), die Handbremse anziehen, lenken, schalten und so weiter. Kaum zu kontrollieren.
Heißt, in Summe fahren wir maximal drei Stunden am Stück. Bisher habe ich das Fahren während unserer Langzeitreise eher als lästig empfunden. Inzwischen lieben wir es beide. Die Fahrzeit ist nämlich relativ entspannt, zumindest wenn Diego schläft. Es ist ruhig, man kann sich unterhalten und der Beifahrer kann recherchieren (sofern Netz da ist) oder relaxen. Dann machen wir meistens für mindestens zwei Stunden Mittagspause, so dass wir alle in Ruhe essen können und Diego danach noch Zeit hat zu spielen und sich auszutoben.
Am Anfang, als er noch klein war, hat er viel auf unserem Bett gespielt, das im Alkoven (50 cm hoch) ist. Inzwischen ist der Platz fast zu klein für ihn. Erstens kann er nicht aufstehen ohne sich den Kopf anzuhauen und zweitens krabbelt er inzwischen wie eine Rennmaus. Dann würde er alle paar Sekunden runterfallen. Also bleibt oft nur der Esstisch, der Boden (~ 2 qm) oder halt draußen. Letzteres ist leider nicht immer möglich, je nach Wetter, Temperatur und anderen Sachen. Im bolivianischen Dschungel konnten wir ihn natürlich nicht draußen krabbeln lassen. Die Möglichkeiten sind allerdings diverser als man sich vorstellen mag. Mal gibt es einen Billardtisch, mal Tiere, mal einen Pool...
Fakt ist, dass wir tagsüber nie Zeit miteinander haben, es sei denn Diego schläft. Diego schläft gut, wenn wir Auto fahren oder wenn er in der Babytrage ist. Sobald man ihn weglegt, schläft er kaum noch; wenn man Glück hat, manchmal 30 Minuten.
Ab und zu fahren wir noch eine Nachmittagsetappe, je nachdem wie weit wir kommen wollen oder müssen. Die läuft dann ähnlich wie die Vormittagsetappe ab, nur dass sie normalerweise nicht mehr so ausgedehnt ist. Wir schauen, dass wir später um 18 Uhr abends an unserem Stellplatz sind. Dann bekommt Diego schön langsam Hunger. Und da gibt es nicht viel Toleranz. Momentan isst er abends immer noch Getreidebrei mit Milch. Danach wird noch ein bisschen gespielt. Micha kocht. Ich mache den Abwasch, so sind die Alltagsaufgaben ganz gut verteilt. Das ist uns beiden sehr wichtig, Warum? Weil es echt anstrengend ist, Diego auf so engem Raum zu betreuen. Er kann sich an so vielen Stellen den Kopf anhauen, runterfallen, Kabel rausreißen… und braucht ständig neue Anreize.
Zeit für uns haben wir dann, wenn Diego im Bett ist. Es kommt allerdings oft genug vor, dass wir einfach keine Energie mehr haben. In der Regel geht Diego gegen 8 Uhr schlafen. Ich stille ihn nach wie vor und dann schläft er - an guten Tagen - sofort ein. An schlechten Tagen, zum Beispiel wenn er einen Wachstumssprung hat, einen Zahn bekommt, Schnupfen hat oder sonst irgendwas, muss ich ihn in den Schlaf „tragen“. Im Camper geht das nicht. Das heißt, raus an die frische Luft. Je nachdem wo wir sind, muss ich ihn und mich dick anziehen und dann laufen wir. Manchmal kann es ganz idyllisch sein, aber oftmals laufe ich mitten in der Nacht mit Taschenlampe durch die Wüste, durch ein lautes Dorf mit bellenden Straßenhunden oder einfach im Kreis auf dem Campingplatzgelände. Gott sei Dank sind solche Abende oder Nächte eher die Ausnahme.
Diego schläft momentan wieder im Gang, auf dem Boden. Ganz am Anfang hatten wir ausprobiert, ihn mit uns ins Bett zu nehmen. Es ist zwar 2m breit, aber Diego schläft wie ein Schneeengel, mit ausgebreiteten Armen. Dementsprechend bleiben für jeden von uns etwa 50-60 cm Platz. Das haben wir nach einer Nacht als Dauerlösung ausgeschlossen. Abgesehen davon stille ich ihn nicht im Bett. Ich habe meinen Stillplatz im Gang, wo ich auf einer Stufe sitze. Das klappt für uns alle am Besten. Eine Zeit lang hatte Diego sein eigenes Bett. Wir haben uns eine Spezialkonstruktion auf der Küchenzeile anfertigen lassen. Diese hatte allerdings genau sechs Wochen Bestand. Dann konnte Diego sich am Gitter hochzuziehen und hätte runterfallen können. Also nicht mehr sicher - schade.
Jetzt schläft Diego zunächst auf unserem Bett und sobald wir ins Bett gehen, wird Diego auf den Gang gelegt (ansonsten stolpern wir über ihn, er wird vom Blaulicht und Lärm gestört etc.). Wie gesagt, oft haben wir gar nicht mehr viel Energie für abendliche Aktivitäten. Aber wenn wir natürlich was schaffen oder einen Film (mit Kopfhörern :-)) schauen wollen, dann geht es nur so. Wenn Diego mal schläft, dann schläft er. Ein bisschen Restlicht stört ihn nicht; auch vom „Umbetten“ wacht er normalerweise nicht auf.
Dass alles klingt für Euch vielleicht mega umständlich, aber inzwischen haben sich unsere Abläufe ganz gut eingespielt. Und wir wollen uns nicht beklagen. Zu Hause hätte man auch seinen Ablauf mit Baby oder Kleinkind.
Anfangs wussten wir gar nicht, ob es überhaupt funktioniert mit Diego auf diese Art zu reisen. Und ich muss ehrlich sagen, wir haben mehr als zwei Wochen wirklich mit uns gehadert, ob es Sinn macht. Denn speziell am Anfang mussten wir uns selbst erst wieder an das Leben im Camper und den Reisealltag gewöhnen, plus die neuen Abläufe mit Diego finden. Die ändern sich natürlich immer mal wieder. Jetzt braucht er deutlich mehr Bewegung und Spielraum, dafür weniger Tagschlaf als am Anfang.
Wir haben natürlich nicht nur Fahrtage. Gerne bleiben wir mal an einem Platz, der uns gut gefällt, um uns zu entspannen oder mehr am Blog zu arbeiten, als nur eine Stunde abends. Solche Tage sind dann noch bisschen schwieriger zu organisieren. Im Endeffekt müssen wir uns ständig mit der Betreuung abwechseln. Abgesehen davon, dass jeder von uns das Bedürfnis nach Individualität und seinen Lieblingsprojekten hat, ist es physisch und psychisch nicht möglich, Diego den ganzen Tag am Stück zu betreuen. Zumindest nicht für uns zwei. Ich weiß nicht, wie es anderen Eltern geht.
Und dann gibt es natürlich noch die Ausflugs- oder Unternehmungstage. Wenn es nur der Besuch von der Stadt ist oder eine kleine Wanderung, dann ist es nichts Besonderes. Diego kommt in die Babytrage. Meistens schläft er, nach spätestens zwei Stunden will er raus. Mit etwa 8 Monaten haben wir angefangen, ihn ab und zu in die Kraxe zu setzen, sprich diesen Rucksack, in dem er auf dem Rücken sitzt.. Das nimmt er ganz gut an, zumindest so für 30 Minuten. Aber dafür ist er auch noch ein bisschen klein. Ich denke mit der Zeit wird er auch länger drin sitzenbleiben. Wir haben aber auch schon Ganztagesausflüge gemacht, wie zum Beispiel in der Salar de Uyuni. Das erfordert natürlich gutes Packen (alle Mahlzeiten, Wickelzeug, warme Klamotten etc). In Summe alles machbar. Natürlich extrem anstrengend für uns als Eltern, aber bis jetzt haben wir noch immer die Energie und Motivation. Das Reisen und die Orte, an denen wir sein können geben und so viel mehr zurück, dass es das allemal wert ist. Und ehrlich gesagt, glaube ich, dass es daheim, an einem festen Ort, auch nicht weniger anstrengend wäre.
Babyartikel kann man fast an jeder Ecke kaufen, egal ob Windeln oder Spielsachen. Jeder kleinste Laden im abgelegensten Flecken hat etwas vorrätig. Denkt man allerdings an die Auswahl einer deutschen Drogerie, sucht man vergeblich. Selbst in den großen internationalen Supermarktketten wie Carrefour gibt es weder Stilleinlagen noch Babybrei. Als wir Mitte Mai in Uruguay angekommen sind und Diego knapp 7 Monate war, haben wir gerade mit Beikost angefangen. Wir haben lange nach Gemüse- oder Obstbrei aus dem Gläschen gesucht. Schließlich habe ich Mütter im Supermarkt gefragt - so etwas ist hier schlichtweg nicht im Angebot. Und so mussten wir alle Breis selbst zubereiten (im Vorrat für einige Tage natürlich). Gut, dass wir in weiser Voraussicht einen Akku-Mixer aus Deutschland mitgenommen haben. Mitlerweile isst Diego immer mehr bei uns mit, da fällt schon ein großer Aufwand für Micha weg.
Krank war Diego bisher gottseidank nie ernsthaft. Bis auf ein bisschen Schnupfen verkraftet er das Reisen prima. Auch die Höhe macht ihm nicht zu schaffen. Wir waren ja schon in der argentinischen Puna und auf der bolivianischen Lagunenroute auf extremer Höhe von über 4.000 m unterwegs. Da hatte Diego nie Probleme. Wir achten allerdings auch darauf, dass wir uns immer langsam akklimatisieren und übernachten nur schrittweise höher. Egal ob trockenes Wüstenklima oder tropischer Regenwald, Hitze oder Kälte, Diego merkt man nichts an. Er ist wirklich extrem anpassungsfähig und macht es uns in der Hinsicht sehr leicht. Schon eine große Erleichterung für uns, wenn man sich um sein Wohlbefinden nicht sorgen muss und er Freude am Reisen hat.
Die Südamerikaner sind auf jeden Fall alle sehr kinderfreundlich. Ein Leben ohne Kinder ist hier unvorstellbar. Diego ist immer ein Highlight, und als Blondschopf erst recht. Viele wollen ein Foto mit ihm. Wenn wir ein gutes Gefühl dabei haben, ist das in Ordnung für uns. Wir haben auch nicht dagegen, wenn ihn jemand auf den Arm nehmen oder mit ihm spielen will. Im Gegenteil, wir freuen uns sehr, wenn jemand einfach mal anbietet, ihn für eine Zeitlang zu betreuen. Das gibt es allerdings dann doch selten. Und wenn, dann hat Diego es leider nicht akzeptiert. Seit er 8 Monate ist, fremdelt er sehr und einer von uns muss immer in Sichtweite sein. Er ist es halt gewohnt, dass wir beide fast ständig um ihn herum sind.
Und manchmal findet Diego sogar gleichaltrige Spielkameraden (obwohl es in dem Alter wohl eher ein „nebeneinander spielen“ ist).
Ich verfolge euren Blog mit großem Interesse und habe großen Respekt vor eurem Abenteuer! Wir reisen auch gerne mit dem Camper mit 2 kleinen Kids und kann mir nur zu gut vorstellen was es bedeutet…