Unterwegs entlang Argentiniens wilder Atlantikküste
Phänomenale Orca Beobachtungen an den Stränden von Valdés
Wal, Wale, Valdés - der südliche Glattwal vor unserer Haustür
Nandu oder Landcruiser - wer ist schneller?
Die Halbinsel Valdés steht schon lange auf unserer Bucketlist. Wir haben unzählige Dokumentationen über die Meeressäugetiere gesehen, die sich an den Stränden und vor ihren Küsten tummeln. Und Micha ist total heiß drauf, Wale vor die Linse zu bekommen. Die Reisezeit scheint perfekt. Jedes Jahr von Juni bis Dezember findet man hier die südlichen Glattwale, auch Südkaper genannt, die bis zu 80 Tonnen wiegen können. Zudem sind Orcas in der Gegend, die auf der Jagd nach See-Elefanten oder Seelöwen sind. Und Magellan-Pinguine brüten zu dieser Zeit gerade. Die beste Zeit im Jahr, um alle Meeresbewohner auf einmal zu Gesicht zu bekommen. Theoretisch natürlich. Es gehört viel Glück und Geduld dazu, v.a. Wale und Orcas tatsächlich zu sehen. Bei Flut scheinen sie sich sehr nahe an der Küste aufzuhalten. Daher orientieren wir uns am Tidenkalender, den wir im Visitor Center bekommen. Die Halbinsel Valdes ist seit 1999 UNESCO Welterbe und steht unter Naturschutz, regional verwaltet von der argentinischen Provinz Chubut. Die 3.625 km² große Fläche ist größtenteils im Privatbesitz, viele Schaffarmen und einige Salinen befinden sich auf der Halbinsel. Es gibt wenige Punkte, die man mit dem Auto anfahren kann, wie z.B. den Punta Norte, um See-Elefanten und Orcas zu beobachten. Alles ist hier streng reglementiert und wird von den Parkrangern kontrolliert. Man darf sich nur auf den entsprechenden Stegen bewegen, der Zugang zum Strand ist streng verboten. Alle Besuchspunkte auf der Insel sind von 8 bis 20 Uhr geöffnet. Außerhalb der Zeiten ist der Zutritt untersagt und auch Wildcamping ist auf Valdés nicht erlaubt. Es gibt einen offiziellen Campingplatz in Puerto Piramides, das heißt, man muss entweder dort übernachten oder die Halbinsel abends verlassen. Leider ist der Campingplatz zur Nebensaison im Oktober geschlossen, d.h. es gibt kein Wasser, keine Toiletten, Duschen etc. Nur viel Platz. Und jeden Tag bleibt die Strecke zu den jeweiligen Besuchspunkten. Aufgrund der Größe der Insel sind das meist um die 80 km – einfach! Und das auf sogenannter Ripio, eine Art Wellblechpiste. Unser Auto und auch wir werden ordentlich durchgeschüttelt und eingestaubt. Hier gibt es tatsächlich keine Möglichkeit abzubiegen oder gar zu übernachten. Wie unser Bekannter Heribert mal so schön gesagt hat: „Die große Freiheit Argentiniens endet an den Zäunen entlang der Straße“. Jetzt wissen wir, was er meinte.
Vom Punta Norte sind wir etwas enttäuscht. Wir entdecken eine Kolonie See-Elefanten am Strand. Arg aktiv sind die Tiere allerdings nicht. Meist liegen sie faul herum, ab und zu schaufeln sie sich etwas Sand unter ihrem Bauch weg, wenn er zu heiß geworden ist. Orcas bekommen wir hier nicht zu sehen. Kein Wunder, wie wir später erfahren. Diese sind nur von Februar bis Mai an diesem Küstenabschnitt, um junge und unerfahrene Seelöwenwelpen zu jagen.
Unseren ersten Wal sehen wir in Puerto Piramides. Leider tot am Strand, bei einem Spaziergang. Experten vermuten, dass eine durch Algen verursachte erhöhte Giftstoffkonzentration im Meer einigen Wale das Leben kostete (auch als "Red Tides" bekannt). Aber schon am nächsten Tag, am Punta Piramides, bekommen wir die ersten lebenden Exemplare im Wasser zu sehen. Relativ nah an der Küste. Man kann es immer recht gut erahnen, da von der Bucht zahlreiche Whale Watching Tours losgehen und in der Nähe von stehenden Booten in der Regel mindestens ein Wal zu sehen ist. Was für riesige Exemplare! Sie können bis zu 17 Metern lang werden. Leider sind Drohnen im Naturschutzgebiet nur mit besonderer Lizenz, die wir nicht haben, erlaubt. Daher begnügen wir uns erstmal mit Aufnahmen vom Land.
Wir haben den Einsatz von Drohnen schon in verschiedenen Naturdokumentationen sowie zu Forschungszwecken gesehen. Man geht davon aus, dass Wale deutlich weniger auf Geräusche aus der Luft reagieren, als beispielsweise auf Schiffschrauben. Irgendwie auch logisch, schließlich ist das Wasser auch ihr Lebensraum.
Bei den langen Fahrten über die Halbinsel bekommen wir auch einiges der „kontinentalen“ Fauna zu sehen. Unzählige Guanakos, eine Art wildes Lama, das in Südamerika heimisch ist, tummeln sich im offenen Grasland. Man vermutet gar nicht, dass sie zur Familie der Kamele gehören. Mit seinem wolligen, flauschigen Fell hat es für den Laien viel mehr Ähnlichkeit mit einem Alpaka. Nicht immer einfach, sie vor die Linse zu bekommen. Sie sind etwas schreckhaft. Aber für einen geübten Photograph kein Problem.
Um einiges schwieriger ist es, einen Nandu zu erwischen. Der Laufvogel ist extrem schnell und sehr scheu. Wir halten unzählige Male an, wenn wir sie am Straßenrand erspähen, allerdings entwischen sie uns jedes Mal. Schließlich ändern wir unsere Technik und knipsen sie beim Fahren aus dem Auto. Das geht natürlich nur mit einer perfekt abgestimmten Koordination zwischen Photograph und Fahrer. Und ich kann bestätigen, 40 km/h schaffen sie locker :-)
Am nächsten Tag steuern wir die Caleta Valdés an, den östlichsten Aussichtspunkt am atlantischen Ozean. Hier hat man angeblich auch zu dieser Jahreszeit Chancen auf Orcas. Wir sind gespannt. Natürlich sind wir zur Flut vor Ort. Dafür mussten wir mal wieder zum Sonnenaufgang aufstehen, denn die Anfahrt von ca. 1,5 Stunden muss man ja auch einplanen. Und tatsächlich – gerade als wir parken, schwimmen vier Orcas in die Lagune. Was für ein Glück! Natürlich ein kurzes Vergnügen, die Tiere bewegen sich relativ schnell und ziehen an uns vorbei. Wir warten fast 2 Stunden, bis sie wieder zurückschwimmen und bekommen noch eine Chance, die eleganten Jäger vor die Linse zu bekommen. Hier sehen wir auch unsere erste Pinguin Kolonie, in Form von Magellan Pinguinen. Die Zeit verfliegt während einem kurzweiligen Gespräch mit einem Australier, der 4 Wochen in Argentinien ist. Er erzählt uns witzige Anekdoten von seiner 2jährigen Südamerika Reise als Backpacker vor 20 Jahren, wo er unter anderem als Kaiman Fänger in Venezuela angeheuert wurde. Wir lachen uns kaputt.
Später fahren wir ein gutes Stück weiter auf der Straße in Richtung Punta Delgada, immer entlang der Atlantikküste. Wir wollen auf jeden Fall noch einmal Orcas vor die Linse bekommen. Gar nicht so einfach, den richtigen Ort und die passende Gelegenheit zu finden – aber nicht unmöglich :-) Wir sehen gleich mehrere Orca Familien gleichzeitig und wissen gar nicht, wo wir hinschauen sollen. Unglaublich, die um die 7m langen Killerwale beim Jagen der kleinen Seelöwen am Strand zu beobachten. Ernsthaft Hunger scheint allerdings keiner zu haben; die Versuche der Orca Jungen schauen eher spielerisch aus. Wir können unser Glück kaum fassen!
Jetzt fehlen uns noch gute Aufnahmen von den Glattwalen. Die tummeln sich angeblich zu der Jahreszeit meist in den Buchten von Valdés, dem Golfo Nuevo und dem Golfo San José. Wir wollen ein paar Tage an der Küste des Golfo Nuevo stehen und unser Glück versuchen. Ein Teil der Strände liegt außerhalb des Naturschutzgebiets und ist über eine Straße (alias Wellblechpiste), gut zu erreichen. Das heißt, hier wird es auch toleriert zu übernachten. Allerdings bemerken wir bei der Anfahrt, dass die Kupplung von unserem Toyota immer lockerer geht, sprich, kein Widerstand mehr da ist. Oh je. Das ist riskant. Wenn die in „the middle of nowhere“ versagt, haben wir ein Problem. Wir entschließen uns, eine Werkstatt in Puerto Madryn, der nächsten Stadt, anzufahren. Ein großer Umweg ist es nicht, schon gar nicht verglichen mit den unzähligen Kilometern, die wir die vergangenen Tagen auf der Halbinsel gefahren sind. Wir fragen uns schon, wie und wo wir Wartezeit für die Reparatur oder gar mögliche Ersatzteillieferungen überbrücken. Auf den ersten Blick sieht die Werkstatt unserer Wahl etwas klein aus. Hier spricht bestimmt niemand Englisch. Mir wird ganz bange, wenn ich dran denke, dass ich unser technisches Problem auf Spanisch erklären muss. Da mangelt es nicht nur am Vokabular, sondern auch am technischen Verständnis. Die beiden Mechaniker sind allerdings super freundlich und freuen sich, einen Toyota Landcruiser zu sehen. Tja, und das „Problem“ ist schnell gelöst. Die Flüssigkeit unserer hydraulischen Kupplung war leer, somit wurde Luft angesaugt. Einmal Bremsflüssigkeit nachfüllen, die Kupplung entlüften und schon läuft alles wieder. Wir dürfen zuschauen und lernen dabei einiges über unser Auto. Letztendlich ist es wohl gegen die Mechaniker Ehre, für diese Lappalie Geld zu verlangen. Aber eine Flasche Rotwein ist doch immer gern gesehen :-)
Wir sind heilfroh, dass alles so glimpflich ausgegangen ist und nutzen den Abstecher nach Puerto Madryn gleich für eine Dusche und um unsere Vorräte aufzufüllen. Und am nächsten Tag machen wir uns auf an die Küste des Golfo Nuevo. Schon kurz nachdem wir ankommen, sichten wir die ersten Wale. Zunächst sind sie relativ weit weg von der Küste, meist mehr als 2 km. Aber je mehr die Flut naht, desto näher kommen sie ans Ufer. Man könnte fast mit ihnen schwimmen gehen. So etwas hatte ich, ehrlich gesagt, auch vor. Allerdings mache ich es dann doch nicht. Warum? Nicht etwa, weil ich Angst habe, von einem Wal verschluckt zu werden. Das Argument lässt sich durch „googlen“ schnell entkräften. Als Mensch kann man zwar sehr wohl ins Maul eines Glattwals geraten, allerdings nicht verschluckt werden, da der Schlund zu klein ist. Nein, das Wasser ist so kalt, dass ich mich trotz Neoprenanzug dagegen entscheide. Und auch das Kajak packen wir diesmal nicht aus. Zu windig ist es hier. Wir haben großen Respekt vor den Strömungen.
Aber auch vom Land aus machen wir atemberaubende Aufnahmen. Bei der Sichtung vom Strand sieht man meist nicht viel vom Wal, bis auf ein paar Zentimeter des Rückens und ab und zu einer Fontäne des Blas. Aus der Vogelperspektive ist es allerdings ein magisches Spiel. In der Bucht des Golfo Nuevo sehen wir ausschließlich Mütter mit ihren Kälbern. Das liegt vermutlich daran, dass diese sich zum Schutz vor Räubern in den Buchten aufhalten und zudem mit den Kälbern häufiger an die Oberfläche müssen. Und die Kleinen scheinen noch recht verspielt, drehen sich immer wieder auf den Rücken, springen und schlagen mit ihren Schwanzflossen. Einfach herrlich, so ein Naturschauspiel aus nächster Nähe beobachten zu können. Die beiden Drohnenakkus werden im Wechsel non-stop geladen, damit Micha bei der Walfrequenz mithalten kann. Um solche Aufnahmen machen zu können, muss tatsächlich einiges stimmen. Der Wind darf nicht zu stark und die Wale dürfen nicht zu weit von der Küste entfernt sein. Micha hat da einiges am Limit experimentiert und war ein paarmal kurz davor, seine Drohne zu versenken, wenn bei 2,5 km Entfernung auf einmal starker Gegenwind aufkam. Ein bisschen Thrill ist immer dabei. Oft waren die Wale aber auch so nah am Strand, dass wir sie vom Küchenfenster beobachten konnten. Solche Stellplätze sind einfach unbezahlbar! Abends, als der Wind deutlich abflacht kann man sogar die Wale atmen hören.
Unsere letzten Tage in der Gegend verbringen wir am Punta Ninfas, ein Platz direkt am Atlantik, oben an einer Steilklippe. Dorthin gelangt man nur über eine 62 km lange Wellblechpiste - mal wieder. Die Geduld lohnt sich allerdings. Die Aussicht ist atemberaubend und wir sind meist alleine. Gleich am nächsten Morgen können wir Orcas von der Klippe aus beobachten. Leider liegt so viel Dunst in der Luft, dass keine verwertbaren Aufnahmen entstanden sind. Damit kommt zum Wind wohl noch eine erschwerende Bedingung hinzu, um Killerwale vor die Linse zu bekommen. Nun ja... und am nächsten Morgen sind leider keine Orcas zu sehen. Die Natur lässt sich eben nicht kontrollieren. Das zeigt mal wieder, wieviel Glück wir bisher mit unseren Sichtungen hatten. Dennoch ist der Ort einfach phantastisch. Am Strand, den man über einen abenteuerlichen Pfad die Klippen hinab erreicht, tummeln sich See-Elefanten und Seelöwen. Die lassen sich von uns nicht stören.
Bevor wir die Gegend verlassen, beschließen wir, noch einen Versuch mit dem Kajak zu machen. Der Punta Ninfas ist dazu allerdings nicht geeignet, ist er doch extrem windig und dem offenen Meer exponiert. Wir launchen unser Kajak in der Nähe von Puerto Madryn, im etwas ruhigeren Golfo Nuevo. Leider finden wir keine Wale, die mit uns paddeln wollen, nur ein paar Pinguine... trotzdem eine tolles Erlebnis.
Und damit verabschieden wir uns nach 12 Tagen von der Halbinsel Valdés. Jetzt haben wir wieder mal ein langes Stück Fahrstrecke vor uns. Unser nächstes Ziel ist Ushuaia, das Ende der Welt. Ganz unten, am letzten Landzipfel in Feuerland, liegt die südlichste Stadt der Erde. Und hier geht’s los zu unserem nächstes Abenteuer – der Antarktis. Bis dahin sind es allerdings noch über 2.000 km. Glücklicherweise sind die Spritpreise in Argentinien phänomenal. Wir tanken für umgerechnet 0,52 Euro. Solche Preise haben wir, seit wir unseren Führerschein haben, noch nirgends erlebt. Natürlich hängt auch viel vom Wechselkurs ab. Wir haben ja schon in bei unserer Ankunft in Buenos Aires bemerkt, dass es den sog. Blue Market Kurs gibt (>>> siehe unser Blog). Zu diesem Kurs, den Privatpersonen gegen US Dollar, aber auch die WesternUnion für Barauszahlungen anbieten, bekommt man gegenüber dem offiziellen Bankkurs das Doppelte. Was für uns natürlich super ist, ist für die Argentinier sehr traurig, da sich der Pesos in einer anhaltenden Abwärtsspirale befindet und somit z.B Urlaub im Ausland unmöglich ist. Aber warum auch Urlaub im Ausland machen, wenn man in einem der schönsten Länder der Welt lebt.
Hallo ihr 2!
Wahnsinn was ihr beide alles erlebt!
Da könnte man fast neidisch werden!
Wale atmen hören und mit See-Elefanten lümmeln… schier unglaublich ☺️ und soo viel Glück mit den Walen und Orcas. Super😍 einzig Hugo sieht manchmal etwas verloren aus in den endlosen Weiten…