10 Tage unterwegs in einer lebensfeindlichen Umgebung – wir fühlen uns wie auf dem Mond
Die Höhe fordert ihren Tribut - nicht nur wir haben damit zu kämpfen
Unser Toyota Landcruiser kämpft sich über 4.635 m hohe Pässe und pustet weißen Rauch aus
Wir sind noch immer in der Puna unterwegs, Argentinien’s Hochwüste. Jetzt verlassen wir die einzige (größere) Ansiedlung, Antofagasta de la Sierra, um weiter ins Niemandsland zu fahren. Unsere Lebensmittelvorräte, sowie Diesel und Wasser haben wir dort nochmal aufgefüllt. Ab hier werden die Straßen deutlich schlechter. Während wir bisher meist auf Asphalt (sogar deutlich besser als der argentinische Durchschnitt!) gefahren sind, wartet jetzt Ripio auf uns. Das heißt Schotterstraße, die sich wie Wellblech anfüllt. Man wird ordentlich durchgeschüttelt und eingestaubt. Der Weg führt uns über einen Pass nach Antofalla, einer Ansiedlung inmitten einer riesigen Hochebene, eingekesselt von 5.000ern. Bisher sind wir mit unserem Auto nur europäische Pässe gefahren, mehr als gut 2.000 Höhenmeter waren da nicht dabei. Heute müssen wir den Kolla Atacameña mit 4.635 m queren. Die Leistung unseres Toyota wird auf der Höhe deutlich reduziert sein. Schon auf 3.000 m merken wir den Unterschied. Je höher wir kommen, desto mehr weißer Rauch quillt aus dem Auspuff. Ab etwa 4.200 m nutzen wir unser Untersetzungsgetriebe. Mit 10-20 km/h zuckeln wir schön langsam hoch. Gar nicht so schlimm bei dem Ausblick. Die Landschaft ist zwar karg, aber dennoch wunderschön. Wir sind froh, dass unser Auto die Höhe so gut wegsteckt, und auch, dass definitiv noch Luft nach oben ist. In Bolivien und Chile werden uns noch höhere Pässe erwarten.
Die Abfahrt ist spektakulär. Wir blicken konstant auf die riesige Hochebene, in der Salzwüste, Lagunen und Vulkane liegen. Die Farben sind absolut beeindruckend. Immer wieder kreuzen Vicuñas unseren Weg. Unten angekommen machen wir erstmal Rast auf dem Dorfplatz von Antofalla. Der Ort scheint tot. Kurioserweise gibt es dennoch – wie überall – einen Kinderspielplatz.
Wir beschließen, uns in Richtung Laguna Verde aufzumachen. Es ist erst früher Nachmittag und wir wollten die Laguna auf jeden Fall besichtigen. Es sind nur etwa 10 km Schotterstraße, das sollten wir locker schaffen. Tatsächlich leuchtet das Wasser in der Nachmittagssonne grün, der Zufluss wartet gar mit einem satten Rot auf.
Am nächsten Tag geht es weiter. Unser Ziel ist der Cono di Arita, eine natürliche Pyramide, perfekt geformt von der Natur. Wir können direkt von der Laguna Verde aus nördlich entlang der Hochebene weiterfahren, über die noch kleinere Ansiedlung Antofallita. Hier gibt es tatsächlich doch keinen Kinderspielplatz mehr. Nur drei Häuser. Wir treffen die Schafhirten, die dort leben. Die Straße führt zunächst über einen Bach und dann in Serpentinen über den nächsten Pass hoch. Leider haben die Schafe den Bachlauf arg zertrampelt. Der Weg ist matschig und an der Oberfläche leicht vereist. Wir fahren lieber durch die Wiese nebenan, sehr langsam und natürlich mit Allradantrieb. Mit konstanter Geschwindigkeit kommen wir ganz gut durch. Puh! Mir wird bei solchen Situationen immer ganz anders. Ein 4 Tonnen schweres Auto in solchem Gelände sicher zu bewegen, ist gar nicht so einfach. Ich bin oft erstaunt, was alles möglich ist mit dem entsprechenden Gefährt. Und mit mehr Offroad-Erfahrung und –Können wäre es sicher noch mehr. Die Kurven am Pass sind richtig eng. Oft muss ich rangieren, um rumzukommen. Und das, obwohl unser Fahrzeug nur gut 6m lang ist. Mal wieder ist der Anblick von oben spektakulär. Den Cono di Arita sieht man schon von der Weite. Warum nicht noch eine kleine Pause einlegen? Dann sind wir alle drei viel entspannter bei der Weiterfahrt. Die Strecken scheinen zwar kurz, allerdings verschätzt man sich in dieser Landschaft, gerne mit den Distanzen. Und bei den Straßen und Steigungen sind wir nur sehr langsam unterwegs. Heute ist unser Tagesziel ein Platz mit Blick auf den Cono di Arita. Und für das perfekte Fotomotiv, tummeln sich sogar noch Vicuñas davor.
Wie jede Nacht haben wir einen atemberaubenden Sternenhimmel; hier oben ist kaum Lichtverschmutzung. Selten in unserem Leben haben wir die Milchstraße so deutlich gesehen. Micha kann nicht anders, als jede Nacht zu fotografieren – trotz der bitteren Kälte dort oben.
Von nun an wird die Straße wieder etwas besser. Grund sind die Lithium- und Goldminen, die sich hier in der Nähe des Cono di Arita befinden. Tag und Nacht fahren schwere LKWs, mit Zu- und Ablieferungen. Dementsprechend zügig geht die nächste Tagesetappe nach Tolar Grande. Wir fühlen uns fast wie auf der Autobahn, so perfekt planiert ist der Weg mitten über die Salzpfanne Salar di Arita.
Tolar Grande ist wieder ein etwas größeres Dorf, sogar mit einer Schule und einem Krankenhaus. Für Diego kaufen wir dort einen dicken Pulli aus Alpaka-Wolle. Den bekommt er nachts an, unter seinem Schlafsack. Trotz Standheizung ist es nicht arg warm im Auto. Wir verkraften die Höhe immer besser. Beziehungsweise, Micha. Diego und ich hatten ja von Anfang an glücklicherweise keine Probleme. Einzig merken wir, dass Diego tagsüber etwas mehr schläft. Das soll uns recht sein, bei den vielen Stunden im Auto. Wenn er wach ist, können wir nur kurze Strecken fahren und das ist ein „Full-Time-Job“ für den Beifahrer :-)
Was uns allerdings zu schaffen macht, ist die brutal trockene Luft dort oben. Vor allem nachts ist unsere Nase sehr verstopft. Was für Micha und mich nur etwas unangenehm ist, ist für Diego ein echtes Problem. Denn dann kann er nicht mehr gut trinken. Wir behelfen uns mit feuchten Tüchern, die wir in der Nacht über unseren Betten aufhängen. Alles in allem hätten wir uns die Höhe viel schlimmer vorgestellt. Und die spektakuläre Landschaft entschädigt allemal für kleinere Übel.
In Tolar Grande wollen wir nicht übernachten. Unser Ziel sind die nahegelegenen Ojos del Mar - drei türkisgrüne Lagunen umgeben von salzhaltigen Böden und der imposanten trockenen Wüste sowie den fernen, rötlichen Puno-Bergen. In den „kleinen Augen“ leben Bakteriensysteme, die den ersten Lebensformen auf der Erde ähneln. Leider werden wir vor Ort sehr enttäuscht. Wir sehen nur eine große, rötlich schimmernde Lagune. Wie wir von einem Argentinier, der hier schon öfter war, erfahren, ist mit dem Bau der Holzstege das fragile Ökosystem geschädigt worden. Grundwasser vermischt mit lehmhaltigem Boden hat die Fläche geflutet. Ob der Schaden reversibel ist, bleibt ungeklärt. Eine Schande!
Nun steht noch ein letztes Highlight auf der Route durch die Puna an: die Desierto del Diablo, die Teufelswüste. Wir fahren durch atemberaubende rote Gesteinsformationen und fühlen uns mal wieder wie auf einem anderen Planeten. Am nächsten Tag geht es leider schon zurück in die Zivilisation. Die Fahrt durch die Puna hat sich definitiv gelohnt. Wir haben viele tolle Eindrücke und noch viel mehr spektakuläre Fotos. Nun freuen wir uns auf eine Dusche, einen großen Supermarkt und eine hoffentlich erholsame Nächte auf niedrigerer Höhe.
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