Dschungelfeeling pur in Bom Jardim - wir floaten im Aquario Encantado
Hunderte von Papageien an der Lagoa dos Araras
Angenehmes Klima und faszinierende Fauna in Chapada dos Guimarães
Das unentdeckte Pantanal – unterwegs entlang dem Flusslauf des Rio Mutum
Alltagsgeschichten werden in der Fremde zu kleinen Herausforderungen - über Friseurbesuche und Wäschereien
Nach der Transpantaneira wollen wir noch ein Stück weiter in den Norden Brasiliens. Nur ca. 2 Stunden entfernt liegt Bom Jardim nahe Nobres, das eine farbenfrohe Unterwasserwelt bietet. Geologisch liegt es eigentlich nicht mehr im Pantanal, dem Überschwemmungsland. Wir wollen im sogenannten Aquario Encantado in glasklare Flüsse und Quellbecken eintauchen. Erstmal werden wir mit Schnorcheln, Schwimmweste und Wasserschuhen ausgerüstet. Dann geht es zu Fuß ein Stück in den Dschungel. Schon allein die Fauna ist beeindruckend. Wir entdecken Palmblätter, die über 20 m hoch sind und es herrscht ein angenehm kühles Mikroklima. Im sogenannten Aquarium, einem kristallklaren Quellbecken, tummeln sich unzählige bunte Fische und wir können hier schnorcheln. Dann geht es ans Floating. Wir schmeißen uns mit unseren Schwimmwesten in den Dschungelfluss und lassen uns kilometerweit treiben. Über uns turnen die Affen, unter uns schwimmen die Fische. So lässt es sich aushalten. Übrigens, das Wasser dort ist zwar kristallklar, allerdings trotzdem aufgrund des hohen Kalk- und Magnesiumgehalts nicht trinkbar.
Ein weiteres Highlight in der Gegend ist der Lagoa dos Araras. An diesen See kehren jeden Abend zum Sonnenuntergang Hunderte von verschiedenen Vogelarten, insbesondere Papageien wie der Gelbbrust-Ara, zu ihren Nestern zurück. Ein atemberaubendes Spektakel! Es wimmelt von bunten Vögeln in der Luft, und das Geschnatter ist ohrenbetäubend. Ein ganz besonderer Ort, um die wunderschönen Sonnenuntergänge Brasiliens zu beobachten.
Der Tourismus in Brasilien funktioniert übrigens etwas anders als wir es bisher kennen. Auf der Transpantaneira ist uns das noch nicht so ausgefallen, aber spätestens in Bom Jardim. Fast alles ist in privater Hand. Die Besitzer kümmern sich meist nicht um die Vermarktung der Naturwunder auf ihren Grundstücken. Stattdessen hat jedes Restaurant und jede Unterkunft eine Art Reisebüro, bei denen man Touren buchen kann – gegen einen Eintrittspreis, versteht sich. Und nicht nur das, meist ist ein Guide notwendig. Dieser hat einzig und allein die Funktion, einen zu begleiten. Auch wenn beispielsweise die Trails zu den Wasserfällen meist weniger als 1 km und technisch null anspruchsvoll sind, darf man nicht alleine gehen. Einen Mehrwert der Guides in diesem Kontext haben wir nicht erkannt. Natürlich gibt es auch auf den Estancias und Pousadas oft Guides, von denen man viel über die Natur lernen kann. In Summe läppern sich die Kosten deswegen natürlich mit Eintritt und Guide für jeden Wasserfall, jede Wanderung, jedes Floating etc. Wir hören von einem Wasserfall, der Cachoeria dos Namorados, der frei zugänglich ist. Endlich! Wir machen uns auf den Weg, der allerdings alles andere als leicht zu finden ist. Wir fragen eine Oma, die am vermeintlichen Trailhead wohnt. Sie rät uns ab, da der Wasserfall in der Trockenzeit wohl kein Wasser hat. Egal - die anderen Wasserfälle in der Gegend sind ja auch nicht ausgetrocknet. Nach mehreren Versuchen schafft Micha es dank Satellitenaufnahmen, den Trampelpfad durch den tiefsten Dschungel zu finden. Ein Erlebnis für sich. Wir sind froh, dass der Weg nur ca. 2,5 km lang ist. Das tropische Klima und die vielen Insekten machen uns fix und fertig. Dort angekommen stellen wir enttäuscht fest, dass die Oma recht hatte. Kein einziger Tropfen Wasser. Alles umsonst gelaufen. Die lokale Tourismusindustrie hat sich offenbar schon die schönsten und „zuverlässigsten“ Wasserfälle zur Vermarktung ausgesucht.
Unser nächstes Ziel ist die Chapada dos Guimarães, eine felsige 836 Meter hoch gelegene Hochebene, die von Savanne und Regenwald umgeben ist. Sie ist die nördliche Abgrenzung zum Pantanal, dem niedriger gelegenen Überschwemmungsgebiet. Die Entstehung führt weit in der Erdgeschichte zurück. Zu der Zeit, als die Anden entstanden sind, hat sich das Pantanal abgesenkt. An der Chapada dos Guimarães steht man direkt vor der Abbruchkante und hat grandiose Ausblicke auf die Landschaft. Außerdem gibt es unzählige Wasserfälle, die hier in die Tiefe rauschen, leider meist wieder nur mit Eintritt und Guide zu erreichen.
Der Cachoiera da Geladeira hingegen ist mit einem geringen Entgelt von umgerechnet 2 € auch ohne Guide zugänglich. Ein echtes Highlight. Das Wasser ist zwar, wie der Name vermuten lässt, a... kalt, aber das Setting im Dschungel ist wunderschön.
Auch der Artenreichtum in der Chapada dos Guimarães ist außergewöhnlich. Hier findet man Flora und Fauna aus drei unterschiedlichen Gebieten Brasiliens, dem Nordoeste, dem Amazonas und der Pampa. Das erfahren wir von Nilton, bei dem wir campen. Er ist Professor für ökologische Landwirtschaft und ein Mann, von dem man viel lernen kann. In seinem Garten wächst auch Kaffee und wir bekommen den Prozess von Ernte, über Rösten, Mahlen, bis hin zur Verkostung aus erster Hand mit. So frischen brasilianischen Kaffee haben wir noch nie getrunken. Und er schmeckt überragend. Solche Erlebnisse sind eben unplanbar und auch unbezahlbar. In Summe machen wir überwiegend positive Erfahrungen in Brasilien. Oftmals dürfen wir umsonst übernachten und werden herzlich aufgenommen. Campingplätze sind hier nämlich Mangelware. Es gibt sehr wenig Infrastruktur für diese Art des Reisens. Wir sind froh, dass wir so autark sind. In der Regel brauchen wir keinen Strom, da wir über die Solarmodule und über die verstärkte Lichtmaschine unseres Toyotas beim Fahren die Batterien laden können. Mit unserer Wasserkapazität von 110 Litern an Bord können wir uns weit über eine Woche versorgen. In unsere Kanister kommt nur trinkbares Wasser. Wenn wir Zugang zu Wasserquellen haben, um abzuspülen, zu duschen etc., verlängert das natürlich die Spanne.
So langsam wurde es auch Zeit, für Friseurbesuche und Wäsche waschen, im Nachhinein sehr interessante Erfahrungen. Wir waren beide relativ spontan in Chapada dos Guimarães beim Friseur, nachdem das Wetter nicht ganz so optimal war (leichter Regen und Nebel - wir sind inzwischen sehr verwöhnt von Brasilien). Die erste Schwierigkeit ist, einen Friseur zu finden. Google hilft da so gut wie nicht. Und den meisten Läden sieht man von außen nicht unbedingt an, was drin ist. Also hilft nur fragen. Das funktioniert recht gut und auch spontan meist am besten. Micha spaziert zum Barbier seiner Wahl. Vor dem Geschäft sitzen rund 6 Leute, rauchen, trinken Kaffee, lachen. Als er nach einem Herrenhaarschnitt fragt, wird prompt bedient. Und sehr professionell ☺
Bei mir läuft es etwas anders ab, ich bekomme einen Termin für den nächsten Tag um 10 Uhr. Denn ich werde vom Chef persönlich gestylt, der extra aus Cuiabá anreist. Und in Summe beschäftige ich 5 Personen. Man muss dazu sagen, dass ich nicht nur einen Haarschnitt sondern auch Strähnen machen lasse. Trotzdem, in Deutschland unvorstellbar. Einen Hair Stylist, seine Assistentin, die den Farbtopf hält, ein Gehilfe der die Alufolie vorbereitet, das Mädchen das die Haare wäscht und die Dame vom Empfang, die für Terminvereinbarungen, Getränke etc. zuständig ist. Blondieren, Balayage etc. – alles für Max, meinen Hair Stylist, keine Fremdwörter. Im Nachhinein verständlich. Während meiner gut 4 Stunden Aufenthalt im Salon zeigt er mir seine Kunden – bekannte brasilianische Sängerinnen und auch die amtierende Miss Brazil. Wer hätte gedacht, dass ich beim Top of the Tops gelandet bin. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Preislich liege ich dementsprechend auch über dem meines Friseurs in Deutschland, aber nach einem ersten Schock freue ich mich über das gelungene Styling.
Bei der Suche nach einem Waschsalon hatten wir bisher eher Pech. Eigentlich brauche ich eine Waschmaschine, wo ich in Ruhe meine Wäsche waschen kann. So etwas scheint hier allerdings nicht verbreitet zu sein. Auch die wenigen Campingplätze sind mit solchen Extras nicht ausgestattet. Natürlich gibt es Wäschereien, die einem das alles machen. Die Preise sind allerdings unglaublich. 1,20 Euro umgerechnet, pro Stück (egal ob Socken oder Unterhose)! Letztendlich darf ich am Camping Refugio da Seriema die Waschmaschine der Besitzer nutzen. Und das unentgeltlich.
Das zeigt mal wieder, wie sehr wir auf die Hilfsbereitschaft der Einheimischen angewiesen sind. Ohne die wären wir oft aufgeschmissen, und manchmal ist es sehr anstrengend, immer zu fragen und wieder zu fragen. Zudem die Sprachbarriere noch hinzukommt. Im Endeffekt ist es allerdings immer die Mühe wert, denn diese Erlebnisse, die Momente der Herzlichkeit, die besonderen Begegnungen machen für uns das Reisen aus.
Egal, ob offizielles oder inoffizielles Camping - seit wir hier in Brasilien sind, waren immer die Einzigen auf dem Platz. Das ist natürlich schon Luxus. Die Hauptsaison ist vorbei. Im Pantanal ist es meist Mai bis August, bevor die ganz große Trockenheit kommt. Wir sind jetzt kurz vor Beginn der Regenzeit, auf die die Natur hier ungeduldig wartet. Die Flüsse sind zu kleinen Rinnsalen geschrumpft, die wenigen Seen haben einen Wasserstand von oft nicht mehr als ein paar Zentimetern. Wir machen uns auf den Weg Richtung Süden und tauchen noch einmal in die Welt des nördlichen Pantanals ein, diesmal bei Mimoso, entlang dem Flusslauf des Rio Mutum. Den Tipp haben wir auch von Paulo, unserer Bekanntschaft von der Raststätte, bekommen. In dem Gebiet hat er jahrelang als Guide gearbeitet.
Bis Mimoso ist die Straße ein Traum, geteert und in gutem Zustand. (Anm. d. Red.: Geteert ist nämlich nicht gleich geteert – es gibt auch den Zustand „vor 30 Jahren geteert und 100-mal geflickt“). Danach geht es mal wieder auf eine Schotterpiste. Wir wollen uns auf dem einzigen Campingplatz, der in dieser Gegend in Google verzeichnet ist, einquartieren. Dieser hat allerdings nur eine Rezension. Das macht uns etwas stutzig. Und zu Recht - dort wo der Campingplatz sein sollte, steht ein Schild, dass das Gelände zu Verpachtung steht. Wir machen uns auf den Weg zur Pousada Rio Mutum, der Logde, bei der Paulo gearbeitet hat. Mit der Rezeption waren wir bereits per WhatsApp bezüglich Touren in Kontakt und wollen uns vor Ort genauer darüber erkundigen. Vielleicht ergibt sich ja auch die Möglichkeit, dort zu campen. „Wild“ wollen wir nämlich nicht unbedingt stehen und außerdem ist alles, was nicht Straße ist, eingezäunt, was soviel wie „in Privatbesitz“ bedeutet. Daraus wird aber leider Nichts - man ist nämlich nicht motiviert, uns etwas zu verkaufen, weder eine Reittour noch einen Campingplatz für die Nacht.
Wir fahren also weiter zur nächsten Pousada, die angeblich Campingplätze anbietet. Der Weg wird immer abenteuerlicher. Wir sind mitten im Dschungel, auf einer Sandpiste, umgeben von Dickicht. Micha muss einige Male aussteigen, und Äste, teilweise ganze morsche Bäume, zu beseitigen, damit wir durchkommen. Mit einem größeren Auto hätten wir da echt Probleme. Wir überlegen, ob wir umdrehen. Das kann doch nicht der Weg zum Campingplatz sein. Allerdings ist umdrehen schlichtweg unmöglich und mal wieder ist die Sonne am untergehen. Also, hop oder top, wenn wir den Weg nicht im Dunkeln fahren wollen. Auf einer Lichtung finden wir den vermeintlichen Campingplatz, auch wenn er nicht so aussieht. Allerdings werden wir auch hier weitergeschickt.
Jetzt fahren wir an der letzten Weggabelung in die andere Richtung, zur Pousada Sía Mariana. Wir haben keine andere Möglichkeit. Und siehe da, der Manager begrüßt uns freundlich und bietet uns an, zwei Nächte zu bleiben, bis Gäste kommen. Momentan sind Arbeiten und Vorbereitungen am Laufen. Wir dürfen auf dem riesigen Gelände direkt am Ufer stehen und die gesamte Infrastruktur nutzen. Puh! Wir können erst am nächsten Morgen bei Tageslicht wirklich sehen, was es für ein Glückstreffer ist. Die Pousada ist innen quasi ein Museum, der Besitzer sammelt Antiquitäten aus der ganzen Welt und hat diese damit eingerichtet. So was haben wir noch nie gesehen. Und so entdeckt jeder ein Stück Heimat hier - Micha ein Klavier der Manufaktur Öhler aus Stuttgart und ich eines aus Bayern.
Wir bekommen sogar eine private Führung inklusive Einblick in die Zimmer und die Präsidentensuite. Wow! Das Zimmer kostet hier ab 2.000 R$ pro Nacht (ca. 400 USD). Und wir haben diesen wundervollen Platz für uns alleine. Am nächsten Tag nutzen wir die exklusive Lage am See für einen Ausflug mit unserem Kajak. Zu der Zeit hat der Rio Mutum nur noch eine Tiefe von ca. 30 cm, gerade so ausreichend für unser Boot. Wir paddeln am Ufer entlang, entdecken allerdings nur Pferde und Kühe. Einzig ein paar Riesenotter tauchen immer wieder um uns herum auf und schauen neugierig. Wir sind etwas enttäuscht von der Tierwelt hier. Nach den überbordenden Sichtungen auf der Transpantaneira hatten wir mehr erwartet. Auch wenn das vermutlich etwas vermessen wirkt :-)
Alles in allen hat sich der Ausflug in diese schöne, nicht so überlaufene Gegend des nördlichen Pantanals aber dennoch gelohnt. Wir genießen die Ruhe am Ufer, backen unser eigenes Brot im Sandofen (so wie wir es auf unser >>> Sahara Querung von den Nomaden gelernt haben) und machen Yoga bei traumhaften Sonnenuntergängen.
Die letzten Tage in Brasilien werden wir uns weiter Richtung Süden vorarbeiten, genauer wissen wir es noch nicht. Die Gegend hier im nördlichen Pantanal ist auf jeden Fall wunderschön. Einzig, die schwülen Temperaturen und die Moskitos werden wir nicht vermissen :-)
Was für ein zauberhaftes „Museum“. Und das so unverhofft… ein schöner Zufall.