Wandern auf 4.000 m Höhe – wir durchqueren die heilige Isla del Sol
Neues Land, neue Eindrücke, willkommen in Peru
Der Colca Canyon, ein Paradies für Andenkondore
Rainbow Mountain – Must-See oder Insta-Hype?
Wir sind wieder unterwegs. Nach einer Woche in Cochabamba scheinen wir die Parasiten, die wir uns über irgendwelche Lebensmittel geholt hatten, auskuriert zu haben. Nun wollen wir weiter. Die Diesel-Situation hat sich mittlerweile etwas entspannt. So können wir sogar spontan 50 Liter auf dem Schwarzmarkt kaufen.
Wir haben uns dennoch entschlossen, dass wir in Bolivien nur noch den Titicacasee mitnehmen. La Paz lassen wir links liegen. Wir sind keine Fans von Großstädten (obwohl diese wohl auch einige schöne Ecken hat). Uns reicht es schon, dass wir den Nebenbezirk El Alto mit etwa 1 Mio. Einwohnern mit dem Auto durchqueren müssen. Nichts für schwache Nerven. LKWs, Autos, Motorräder und Fußgänger verstopfen die Straßen, Wege sind auf einmal gesperrt oder nicht existent und es ist ein einziges Hupkonzert. Ich bin fix und fertig nach den 2 Stunden Fahrt.
In Copacabana, dem Ort, den wir uns am Titicacasee ausgesucht haben, geht es schon entspannter zu. Seinen Namen hat er aufgrund des an Rio de Janeiro erinnernden Panoramablicks, den man von oben auf die Bucht hat. Wir quartieren uns auf einem schönen (richtig schön für bolivianische Verhältnisse!) Campingplatz ein. Hier gibt’s Hunde, Hühner und Katzen und eine große Rasenfläche – ideal für Diego. Abgesehen davon entdeckt Diego seine Leidenschaft für’s Billardspielen :-)
Nach und nach quartieren sich weitere Overlander ein, so dass wir einige Reisefreundschaften knüpfen. Mit den Schweizern, Claudia und Armin, machen wir am zweiten Tag einen Ausflug auf die Isla del Sol. Die Insel galt für die Inkas als heilig. Sie ist etwa 1 km von der Copacabana-Halbinsel entfernt, für uns etwa 2 Stunden Bootsfahrt. Wir wollen die Insel von Nord nach Süd durchqueren, um die schönsten Panoramablicke zu genießen. Der Weg ist angeblich 8 km lang und in 3 Stunden leicht zu schaffen, so sagt man uns. Nachdem unser Schiff eine Stunde zu spät ankommt, bleiben uns noch 4 Stunden bis zur letzten Rückfahrt. Dann können wir ja noch auf eine Forelle und ein Bier einkehren. Mit dieser Vorfreude laufe ich los, meinen 10 kg Rucksack namens Diego auf dem Rücken. Schnell stellt sich heraus, dass der Weg viel länger als erwartet ist. Zudem bewegen wir uns auf etwa 4.000 m über dem Meeresspiegel. Da ist jeder Schritt ein bisschen anstrengender. Wir laufen auf dem Hauptkamm der Insel, der auch noch etwa 250 m über dem See liegt. Die Ausblicke sind atemberaubend. Schaut man auf die Strände herunter, könnte man fast meinen, am Meer zu sein. Nicht zu unrecht wird der Titicacasee als das bolivianische Meer bezeichnet. Die Fläche ist so riesig, dass man teilweise nichts als tiefblaues Wasser am Horizont sieht. Viel Zeit zum Genießen bleibt allerdings nicht. Wir können gerade eine kleine Pause machen, um uns zu stärken, dann müssen wir schon weiter. Und tatsächlich schaffen wir es mit Ach und Krach an Bord des letzten Bootes – leider ohne Forelle und Bier im Bauch. Das holen wir dann am nächsten Tag nach. Unsere Muskeln brauchen eh etwas Entspannung. Wir sind einfach nicht mehr in Form!
Nach einigen Tagen wollen wir uns auf nach Peru machen. Wir haben bisher nur eine grobe Route im Kopf. Viel Zeit konnten wir noch nicht in Detailplanung investieren. Die ersten Stationen sind allerdings vorgezeichnet. Und die allerersten To-Dos nach einem Grenzübergang sind immer dieselben – einkaufen, Geld abheben, SIM Karten besorgen. Peru ist immerhin etwas digitaler als Bolivien unterwegs. In den größeren Supermärkten und Restaurants kann man meist mit Karte bezahlen. Ansonsten gilt, nur Bares ist Wahres. Teilweise ganz schön nervig, wo man oft nur umgerechnet 100 € auf einmal am Geldautomaten bekommt. Dennoch merkt man, dass Peru deutlich mehr auf Tourismus eingestellt ist. In den großen Touristen-Hotspots gibt es viele sehr gute Cafés, Bäckereien und Souvenirs. Und natürlich die üblichen Touristen-Naps. So werden an jeder Ecke für ein paar Soles Portraits mit Lama und traditionell gekleideten Peruanerinnen angeboten. Wir bieten im Gegenzug ein Foto mit einem Gringo-Baby an :-) Spaß beiseite, Diego ist auch hier immer ein Highlight. Glücklicherweise sind überall wo wir hinkommen Babys oder Kleinkinder. Egal, ob im Restaurant oder auf dem Campingplatz, Diego findet schnell Spielgefährten, die großzügig ihr Spielzeug mit ihm teilen.
Als erstes wollen wir das Colca-Tal besichtigen. Die Schlucht ist zwischen 1.200 m und 3.269 m tief. Da schaut der Grand Canyon mit 1.800 m Tiefe dagegen alt bzw. flach aus. Die oberen Hänge sind schon seit Jahrhunderten von Menschenhand terrassenförmig angelegt und bieten gute Bedingungen für Ackerbau. Hier wird vor allem Mais und Kartoffel angebaut. Wir verzichten nach wie vor größtenteils auf Obst und Gemüse – unsere Parasiten scheinen doch noch immer nicht auskuriert. Micha kämpft nach wie vor mit Übelkeit und auch mir geht es zwei Tage richtig schlecht. Wir suchen nochmals einen Doktor auf. Wie findet man in Peru (oder auch Bolivien) einen Doktor? Bestimmt nicht über Google Maps. Die beste Methode ist, Einheimische zu fragen. Die haben immer eine Adresse. Termine gibt’s auch nicht. Man geht hin und wenn man Glück hat, wartet man nicht. So in unserem Fall. Das Ärztehaus ist so klein, dass es kein Labor gibt. Der Arzt macht aus diesem Grund eine „Blinddiagnose“ und verschreibt großzügig Antibiotika und andere Mittel gegen Parasiten, Durchfall und Übelkeit, die wir etwa eine Woche nehmen sollen. Hoffentlich geht es bald bergauf.
Das Highlight im Colca-Tal, das Cruz del Condor, wollen wir uns trotzdem nicht entgehen lassen. An dem Punkt im Tal nutzen die Andenkondore die erste schwache Morgenthermik, um ruhig am Canyonrand zu kreisen. Ein wahres Spektakel. Das hat leider auch die peruanische Touristenindustrie erkannt und so stehen wir mit hunderten Menschen am Aussichtspunkt. Nach 10 Uhr steigen die Kondore höher und höher, bis sie schließlich nicht mehr zu sehen sind. Dann haben wir diesen wunderschönen Ort für uns alleine. Andenkondore sind übrigens monogam und bilden Paare, die sich ein Leben lang paaren. Sie werden bis zu etwa 70 Jahre alt. Am Ende ihres Lebens, sobald sie nicht mehr gut fliegen können, begehen sie angeblich Selbstmord. Sie fliegen so hoch sie können und beenden ihr Leben, zerschmettert an einer Bergwand. Die Kondore, die wir zu sehen bekommen, können glücklicherweise noch sehr gut fliegen. Schon sehr beeindruckende Vögel, mit ihren fast 3 m Spannweite, auch wenn es wahrlich keine Schönlinge sind.
Nun machen wir uns auf in Richtung Cusco, dem Zentrum der Inkakultur. In dieser Gegend gibt es zahlreiche Ruinen und Ausgrabungsstätten, allen voran natürlich das weltbekannte Machu Picchu. Auf dem Weg dorthin liegt noch der sogenannte „Rainbow Mountain“, nicht weniger bekannt und auf der Angebotsliste jedes Tourenanbieters. „Auf dem Weg“ ist natürlich relativ. Der Berg Vinicunca ist nämlich 5.200 m hoch. Das heißt wir fahren eine Stichstraße hinauf - 30 km Schotter, etwa 1.200 Höhenmeter. Für unseren Toyota kein Problem, man braucht nur Geduld. Denn die Motorleistung ist auf dieser Höhe sehr begrenzt. Unsere allerdings auch. Die letzten 300 Höhenmeter müssen wir vom Parkplatz aus zu Fuß laufen, genau gesagt von 4.736 m auf 5.036 m. Wieder mal mit meinem 10 kg Rucksack namens Diego auf dem Rücken. Diese Höhenmeter waren definitiv einige der härtesten meines Lebens. Oben angekommen können wir den siebenfarbigen Berg direkt gegenüber bewundern. Wenn man nur dafür hochgeht, wird man wohl etwas enttäuscht sein (außer man legt Wert auf das typische Instagram-Signature-Bild mit Farbfilter :-)). Die Landschaft an sich ist allerdings echt beeindruckend. Im Hintergrund sehen wir den majestätischen Ausangate, mit einer Höhe von 6.384 m der fünfthöchste Berg von Peru. Man könnte fast meinen, man hat den Denali vor sich. Ich bin mal wieder zutiefst beeindruckt.
Auf dem Rückweg machen wir noch einen weiteren Abstecher ins Red Valley. Dieser „Abstecher“ ist auch wieder eine mehrstündige Fahrt. Was hier in Peru nah scheint, kann so weit sein. Nie kennt man die Straßenzustände und die exakten Koordinaten. Das Land ist definitiv nicht auf Individualtourismus ausgerichtet. Und so reicht es uns nach einer Odyssee mit Auto und zu Fuß, bei der wir nur ein wunderschönes sattgrünes, aber kein rotes Tal sehen, und wir lassen die Drohne steigen :-)
Immer wieder schön Eure Berichte zu lesen und Eure Fotos anzusehen. Herzliche Grüße von Florence & Georg (@thetravelingbertha)