10 Tage unterwegs in einer lebensfeindlichen Umgebung auf bis zu 4.600 m Höhe
Ein Highlight nach dem anderen - Vulkane, Sanddünen, Salzseen und Lagunen prägen die Landschaft
Vicuñas, Alpakas und Flamingos trotzen der starken Sonne, klirrenden Kälte und kargen Flora
Ein Erfahrungsbericht zum Reisen mit Baby auf extremer Höhe
Und die Antwort auf die Frage: Wer ist eigentlich Petra Pommes?
Nach etwa 3 Wochen im Camper haben wir uns einigermaßen eingewöhnt – an das Leben auf engem Raum, die argentinische Kultur und die neuen Abläufe mit Diego. Soweit es halt geht. Meistens kommt es ja eh anders… Nun wollen wir gerne die Puna, die argentinische Hochwüste, erkunden - das Pendant zur Atacama-Gegend in Chile. Das heißt, es geht quasi konstant auf über 3.000 m Höhe. Bisher haben wir so etwas auch noch nicht gemacht. Klar, waren wir das ein oder andere Mal beim Wandern in Europa für kurze Zeit auf so einer Höhe – mehr aber auch nicht. Wir wissen nicht, wie wir das verkraften. Von vielen Reisenden haben wir gehört, dass sie etwas Probleme oder gar die Höhenkrankheit hatten. Laut Statistiken machen wohl jedem vierten solche Höhen zu schaffen, in welchem Ausmaß, ist unterschiedlich. Kopfweh und Übelkeit sind die üblichen Symptome. Dann hilft nur, schnell wieder runter. Wie das mit Diego funktioniert, können wir gar nicht einschätzen. Fakt ist, Babys stecken die Höhe nicht schlechter weg als Erwachsene. Nur er kann halt nicht sagen, was ihm fehlt. Wir wollen es trotzdem versuchen. Früher oder später kommen wir um diese Höhen nicht herum. Spätestens in Chile und Bolivien müssen wir Pässe mit etwa 5.000 m queren.
Uns erwarten rund 800 km auf über 3.000 m Höhe. Wie lange wir dafür brauchen, wissen wir nicht. Wir kennen die Straßenzustände nicht, wir ahnen nur, dass sie nicht sonderlich gut sind. Außerdem haben wir keine Erfahrung mit unserem Toyota in der Höhe. Die Leistung wird auf jeden Fall ordentlich abnehmen. Außerdem hat er keinen Turbolader; ob wir also überhaupt mit 130 PS und knapp 4 Tonnen Gewicht über die Pässe kommen, ist fraglich. Wir statten uns auf jeden Fall mit reichlich Lebensmitteln aus und füllen beide Tanks und unser Frischwasser randvoll. So haben wir 200 Liter Diesel und 110 Liter Wasser an Bord. Das muss reichen. Wir haben gehört, dass ab und zu Bewohner in den Bergdörfer Diesel verkaufen; darauf verlassen wollen wir uns lieber nicht.
Und dann decken wir uns noch mit Coca-Blättern ein. Die sind bei Einheimischen Gang und Gäbe, um die Höhe besser zu verkraften. Man kaut sie, legt sie in die Backentasche oder mischt sie in den Tee. Das Superfood hilft, Hunger, Müdigkeit und Kälte zu verdrängen und ist sehr wirksam gegen die Höhenkrankheit, da es die Sauerstoffaufnahme verbessert. Und ja, ich stille Diego noch. Studien zum Coca-Konsum in Kombination mit Stillen findet man kaum. So was aber auch! Fakt ist, die Blätter bewirken keine Abhängigkeit und haben keine Nebenwirkungen. Dementsprechend gehe ich vom besten aus! Wie immer :-)
Unsere erste Tagesetappe ist relativ kurz und unspektakulär. Wir haben einen Übernachtungsplatz in einem trockenen Flussbett gewählt, der auf 2.500 m liegt. Das ist uns wichtig, um uns langsam an die Höhe zu gewöhnen. Das schlimmste sind wohl die Nächte. Mir geht es prima, auch Diego ist „normal“. Das heißt, er quengelt nicht mehr als sonst. Da er eh immer wieder irgendwelche Wachstumssprünge hat und auch noch zahnt, ist das alles relativ. Micha kann allerdings nicht gut schlafen und klagt über Übelkeit. Coca-Tee hilft ihm, die Nacht irgendwie zu überstehen. Über ein Umdrehen will er allerdings nicht diskutieren.
Am zweiten Tag durchqueren wir wunderschöne Hochebenen. Die Landschaft wird immer karger, aber umso interessanter. Die Farben leuchten richtig hier oben. Immer wieder sehen wir Vicuñas, die Lama-Art, die in den Hochlagen der Anden lebt. Sie sind etwas kleiner und graziler als ihre artverwandten Guanakos, die wir vor allem in Patagonien angetroffen haben. Und es gibt viele Alpaka- und Schafherden. Die sind allerdings meistens „domestiziert“. Die Tage sind übrigens, trotz Winter, super sonnig und verhältnismäßig warm. Wenn kein Wind geht, kann man mit T-Shirt rumlaufen. Die Sonne ist sehr intensiv hier oben. Wir müssen uns gut eincremen, vor allem Diego. Die Nächte sind dagegen klirrend kalt bei zeitweise bis -10°C. Auch die extreme Trockenheit macht uns zu schaffen und das Atmen wirklich schwierig. Zumindest funktioniert unsere Standheizung reibungslos und der eingebaute Höhenkit macht sich bezahlt.
Wir sind total begeistert vom Anblick, der uns erwartet. Mir fällt es schwer, die Landschaft zu beschreiben. Glücklicherweise hat Micha sehr viele Fotos gemacht, die wir Euch nicht vorenthalten wollen. Man fühlt sich fast wie auf dem Mond. Dabei ist die Landschaft weit davon entfernt, langweilig zu sein. Endlose Hochebenen, teilweise sattgrüne Oasen neben Lavafeldern. Tiefschwarze Vulkankegel türmen sich inmitten der Landschaft. Immer wieder gibt es Sanddünen, Lagunen und Salzseen. Das alles sieht so unwirklich und lebensfeindlich aus. Dennoch leben hier Menschen.
Gegen frühen Nachmittag erreichen wir das Dörfchen El Peñón. Da wir am nächsten Tag noch einen Abstecher von etwa 150 km Offroad-Piste machen wollen, versuchen wir, Diesel zu organisieren. Wir fragen uns durch den Ort und gelangen schließlich an eine Hütte, vor der einige Barrel stehen. Ein Junge, kaum älter als 10 Jahre, sagt, er würde uns das Diesel für umgerechnet etwa 1,50 € verkaufen. Das sind 20 Cent mehr, als der aktuelle Marktpreis in Argentinien. Fair enough, in dieser abgelegenen Gegend. Vom Barrel kommt das Diesel in den Kanister, von dort mit einem Trichter (aus einer Cola-Flasche und einer Strumpfhose :-)) in unseren Tank – so der Plan. Leider kommt unser Tank mit dem fehlenden Fülldruck, den so eine maschinelle Tankanlage hat, nicht klar und wir bekommen so gut wie nichts rein. Tja – ein Erlebnis war es trotzdem. Solche Dörfer sind einfach immer wieder ein Phänomen in Südamerika. Im Prinzip bekommt man alles, was man dringend brauchen könnte, wie Benzin, Grundnahrungsmittel, Wasser (und sogar Pampers!). Man muss nur wissen wo und genug Zeit mitbringen. Erstmal frägt man sich durch den ganzen Ort und landet nach einigen Stunden oftmals dort wieder, wo man angefangen hat. Und schnell geht gar nichts. Außerdem ist in der Regel von 13 – 18 Uhr Siesta. So viel zu „kurz mal tanken“.
Unser Übernachtungsplatz heute ist mehr als spektakulär. Wir parken direkt neben einem riesigen Lavafeld, perfekt im Windschatten. Da ist so ein ineffizienter Nachmittag schnell vergessen :-) Auch wenn ich dort oben auf der Höhe echt keine Energie für sportliche Aktivitäten habe, nehme ich mir jeden Abend 15 Minuten für Yoga. So kann ich mich entspannen und gleichzeitig die absolute Ruhe und Weite noch intensiver spüren.
Am kommenden Tag wollen wir das Naturschutzgebiet Piedra Pomez besuchen. Petra Pommes? Fast. Es handelt sich um ein riesiges Feld aus Bimsstein, entstanden durch vulkanische Aktivität und Erosion. Zu erreichen ist es angeblich nur über eine 60 km lange Sandpiste. Die ersten 50 km sind ehrlicherweise einfach nur Schotterstraße. Dann hat es die Anfahrt allerdings in sich. Wir lassen Reifendruck ab und schalten unseren Allradantrieb zu. Erstmal geht alles gut, bis die Strecke steiler wird. Dann geht nichts mehr. Oh Mann. Wir haben echt keine Lust, unsere Sandbleche auszupacken. Glücklicherweise ist Diego gut drauf. So eine Situation in Kombination mit einem schreienden Baby trägt nicht gerade zur Ruhe bei, die man da behalten sollte. Mit Vor, Zurück und etwas Anschieben kommen wir glücklicherweise rückwärts aus der Bredouille. Beim zweiten Anlauf nehmen wir eine kleine Umfahrung, auf der der Untergrund etwas fester scheint. Geht doch. Die letzten 10 km sind echt mühsam. Jetzt ist uns auch klar, warum die Strecke nur für 4x4-Fahrzeuge empfohlen ist. Als wir ankommen ist es schon 14 Uhr. Wir müssen noch zurück und zum Übernachtungsplatz unserer Wahl – der Laguna Carachi Pampa. Eine ebenso fordernde Strecke, auf der wir den gleichnamigen Vulkan umrunden. Wir sind ziemlich fertig, als wir im Abendlicht endlich dort ankommen. Der Anblick entschädigt allerdings mal wieder für alles. Vor uns liegt ein riesiger Salzsee vor einer malerischen, rot leuchtenden Gesteinskulisse. Das Wasser ist so ruhig, dass sich ein perfekter Spiegel ergibt. Im See stehen Flamingos, am Ufer grasen Alpakas und Vicuñas.
Streckenmäßig sind wir noch nicht viel vorangekommen. Aber wer will bei dieser Landschaft schon hetzen? Micha geht es inzwischen etwas besser. Vor allem tagsüber hilft das Coca-Blätter kauen. Die Nächte werden für ihn auch erträglicher. Dabei sprechen wir keineswegs von erholsamem Schlaf. Den habe ich auch nicht wirklich. Bei mir liegt es allerdings eher daran, dass ich nachts in der Regel zweimal zum Stillen aufstehe. Diego schläft definitiv am meisten und besten von uns allen. Und darüber sind wir heilfroh!
Auf der kurzen Etappe vormittags wartet der Vulkan Antofagasta und die gleichnamige Lagune auf uns. Es ist immer wieder erstaunlich, wie viele Highlights sich auf so kurzer Distanz reihen. Mit Diego müssen wir sowieso einige Pausen machen, zum essen, spielen etc. Umso besser, dass es so viele sehenswerte Stopps gibt. Micha kommt aus dem Fotografieren gar nicht raus.
Wir sind nun kurz vor Antofagasta de la Sierra, einer kleinen Stadt auf 3.320 m. Tatsächlich finden wir hier so etwas wie Infrastruktur vor. Es gibt eine kleine Hosteria mit Zimmern. Dort dürfen wir für ein paar Pesos duschen und auf dem Parkplatz übernachten – sogar guten Kaffee und WiFi gibt es. Und im Ort finden wir eine Tankstelle mit maschinellen Zapfsäulen und einen kleinen Supermarkt – natürlich erst ab 18 Uhr geöffnet. Der kurze Ausflug in die Zivilisation fühlt sich gut an, bevor wir noch tiefer in die Wüste fahren. Auf uns warten hohe Pässe, lange Schotterstraßen und schwierige Straßenabschnitte, in einer weiterhin spektakulären Landschaft. Mehr dazu gibt es im folgenden Blog.
Mega geschrieben!!! Danke für die Infos so wächst unsere Vorfreude immer mehr.